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Pflanzliche Ernährung ausprobieren Jede vegane Mahlzeit zählt

Seit Pandemie-Beginn hat sich die Zahl der Veganer in Deutschland verdoppelt. Die sogenannte Veganuary-Challenge will bei der Umstellung auf eine pflanzliche Ernährung helfen.

Rübengemüse samt Grün – Rübe wie Grün lassen sich in der veganen Küche perfekt verarbeiten Foto: Unsplash/Michael C.

Der Januar ist der Monat der guten Vorsätze. Alle Jahre wieder unter den häufigsten Vorhaben mit dabei: gesünder essen. Aber immer öfter auch: mehr fürs Klima und für die Umwelt tun. Wer am „Veganuary“ teilnimmt, kann beide Fliegen mit einer Klappe schlagen, gleichzeitig etwas für seine Gesundheit und für seinen ökologischen Fußabdruck tun – von den Tieren mal ganz zu schweigen. Eine Win-win-win-Situation also.

taz Thema 🐾 14.01.2021
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Die Veganuary-Kampagne (eine Wortschöpfung aus „vegan“ und „January“), initiiert von der gleichnamigen britischen NGO, soll möglichst viele Menschen motivieren, sich den ganzen Monat Januar – und im Idealfall auch darüber hinaus – rein pflanzlich zu ernähren.

Einer Studie im Fachmagazin Nature Food zufolge sind Tierprodukte – also Fleisch, Eier, Milch und Milcherzeugnisse – für doppelt so viele Treibhausgasemissionen verantwortlich wie pflanzliche Lebensmittel. Jede einzelne Mahlzeit ohne tierische Produkte schont das Klima: Wenn eine Million Menschen einen Monat lang rein pflanzlich essen, spart das die gleiche Menge schädliches Treibhausgas ein, wie rund 439.000 Flüge von Berlin nach London produzieren.

Über eine halbe Million Menschen nehmen am „Veganuary“ teil

Mehr als 1,5 Millionen Menschen haben sich seit Kampagnenstart weltweit bereits bei der Challenge angemeldet. In Deutschland geht der Veganuary 2022 in die dritte Runde. „Letztes Jahr nahmen weltweit mehr als 582.000 Menschen teil“, sagt Veganuary-Geschäftsführerin Ria Rehberg. „Wir sehen uns bestätigt darin, dass die Zeit reif ist für ein Umdenken: weg von Tierprodukten und hin zu pflanzlichen Alternativen.“

Aktuell wollen die meisten Teilnehmer, 46 Prozent, den Tieren zuliebe auf Pflanzenkost umsteigen. 22 Prozent denken primär an ihre Gesundheit. Aber auch der Anteil derer, die vor allem der Umweltschutz antreibt, erhöht sich stetig und liegt bei 21 Prozent.

Wer mitmachen möchte, meldet sich einfach unter www.veganuary.com/mitmachen an und bekommt 31 Tage lang täglich Alltagstipps, Hintergrundinformationen und Rezepte per E-Mail zugeschickt. Beginn der Challenge muss übrigens nicht zwingend der 1. Januar sein – man kann den veganen Monat zu jedem beliebigen Datum beginnen. Die Aktion wird von prominenten Veganern wie Joaquin Phoenix, Paul McCartney, Bryan Adams oder Kaya Yanar unterstützt. Mit Tübingen nimmt dieses Jahr erstmals eine ganze Stadt am Veganuary teil – mit Kochkursen und Vorträgen für die Einwohner und Tipps zur Umstellung auf der Facebook-Seite der Stadt.

Selbst Großkonzerne machen mit

Erstmals mit dabei ist 2022 auch Eckart von Hirschhausen. Der Arzt und Wissenschaftsjournalist betont neben den positiven Auswirkungen aufs Klima die Vorteile für die Gesundheit: „Allein durch pflanzenbasierte Ernährung könnten wir jedes Jahr 150.000 Todesfälle in Deutschland verhindern. Weniger Fleisch zu essen ist also ein echter Verzicht. Nämlich ein Verzicht auf Herzinfarkt und Schlaganfall. Und darauf kann doch jeder gern verzichten, oder?“

Zahlreiche Unternehmen und Konzerne unterstützten die Kampagne: Neben veganen Firmen wie dem Kokosjoghurtproduzenten Harvest Moon, dem Käseersatzhersteller Simply V, dem Backwarenproduzenten Moin oder der Haferdrinkmarke Oatly, nehmen Großkonzerne wie Aldi, Edeka, Rossmann und Dr. Oetker teil, um auf ihr veganes Angebot aufmerksam zu machen.

2021 wurden zum Veganuary bundesweit 165 neue vegane Produkte oder Menüs auf den Markt gebracht. Dieses Jahr serviert Ikea im Rahmen der Kampagne in seinen Schwedenrestaurants neue vegane Gerichte, die Sandwichkette Subway bringt nach dem erfolgreichen Meatless Chicken Teriyaki Sub einen weiteren Sandwichklassiker in rein pflanzlicher Version heraus, und auch Abonnenten der Kochbox Hello Fresh können sich über noch mehr vegane Rezepte freuen.

Laut Ernährungsreport des Landwirtschaftsministeriums essen 2 Prozent der Deutschen vegan – bei der letzten Befragung vor einem Jahr war es noch 1 Prozent. Auch die Zahl der Vegetarier hat sich verdoppelt – von 5 auf 10 Prozent. Somit haben rund 10 Millionen Bundesbürger Fleisch oder sogar sämtliche tierische Produkte von ihrem Speiseplan verbannt. Peta führt den massiven Anstieg auf die Coronakrise zurück: Die Gesellschaft erkenne zunehmend, dass die tierausbeutende Industrie eng mit der Entstehung und Ausbreitung gefährlicher Krankheitserreger wie dem Coronavirus zusammenhängt, so die Tierschutzorganisation.

Vorsicht bei Ersatzprodukten

Eine vegane Ernährungsweise muss nicht per se gesund sein. Wer zwar auf Tierprodukte verzichtet, aber Zucker und Fett in großen Mengen konsumiert, hat, zumindest was den gesundheitlichen Aspekt betrifft, wenig gewonnen. Vegane Chicken Nuggets aus der Tiefkühltruhe etwa enthalten wenig gesunde Inhaltsstoffe und sind zudem verhältnismäßig teuer. Dass es auch ohne viel teure Ersatzprodukte geht, zeigt zum Beispiel Köchin und Foodbloggerin Marta Dymek. Ihr Tipp: sich auf Gerichte zu konzentrieren, die von Natur aus vegan sind. Und davon gibt es so viele, dass sie bereits zwei Kochbücher mit „zufällig veganen“ Rezepten gefüllt hat.

Spaghetti mit Tomatensoße, Linsencurry, Hummus oder Bayerischer Kartoffelsalat sind nur einige wenige Beispiele. Sie schmecken besser und sind günstiger und gesünder als die häufig stark verarbeiteten Ersatzprodukte.

Das Veganuary-Team rät Einsteigern dazu, zum Start der Challenge einige vegane Grundnahrungsmittel vorrätig zu haben – etwa Pflanzenmilch, vegane Margarine, Haferflocken, reichlich Obst und Gemüse, Nudeln, Reis, Tofu – und einen Essensplan für die kommenden Tage aufzustellen. Man müsse nicht sofort alle Ernährungsgewohnheiten ändern – fast jedes Lieblingsgericht lässt sich auch in einer veganen Variante zubereiten: etwa Pasta Bolognese mit Sojahack oder eine Lasagne mit Pflanzenmilch in der Béchamelsoße.

Wer gesunde vegane Snacks stets griffbereit hat (Nüsse, Müsliriegel, Obst), kommt weniger häufig in Versuchung, unterwegs doch zum Käsebrötchen oder Hotdog zu greifen, wenn mal nichts Veganes erhältlich ist. Ganz wichtig: Falls doch mal ein Ausrutscher passiert oder man der Versuchung nachgibt, sollte man nicht zu streng mit sich selbst sein und bei der nächsten Mahlzeit einfach wieder zum veganen Essensplan zurückkehren. Immer daran denken: Besser, es essen Millionen Menschen nicht ganz perfekt vegan, als einige wenige essen perfekt vegan.

Dieser Text erscheint im taz Thema Veganes Leben, Ausgabe Januar 2022. Redaktion: Lars Klaaßen. Frühere Ausgaben des taz Themas Veganes Leben können Sie hier nachlesen.

Katja-Barbara Heine arbeitet als freie Autorin und schreibt regelmäßig für die taz Themen. Viele ihrer taz-Thema-Texte finden Sie im taz-Archiv.