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Pferd von Dressurreiterin Werth gedoptDer schizophrene Wallach

"Whisper" war gedopt - mit einem starken Psychopharmakon. Das Dressurpferd gehört Olympiasiegerin Isabell Werth. Ein weiteres Glied in der Kette von Betrugsfällen in der Reitszene.

Kann sich auf eine längere Sperre einrichten: Dressurreiterin Werth. Bild: dpa

BERLIN/WARENDORF taz/dpa | Jetzt auch noch das. Breido Graf zu Rantzau ist erschüttert. "Das ist eine Katastrophe für den Pferdesport", sagt er. Graf zu Rantzau ist Präsident der deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN). Das Dressurpferd von Isabell Werth, "Whisper", ist positiv getestet worden. Gefunden wurde das Psychopharmakon Fluphenazin. Die Urinprobe wurde dem zehnjährigem Wallach beim Internationalen Pfingstturnier in Wiesbaden entnommen. Der Verband kämpft ja seit ein paar Wochen gegen Doping und Manipulation im Reitsport. Unlängst hatte die FN die Kader der drei olympischen Disziplinen, darunter auch die Dressursparte, aufgelöst und eine unabhängige Kommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) mit der Befragung der Reiter beauftragt. Auslöser waren der Dopingfund bei Christian Ahlmanns Pferd Cöster während der Olympischen Spiele und Aussagen von Springreiter Ludger Beerbaum über den äußerst laxen Umgang mit Medikamenten.

Isabell Werth ist nicht irgendwer. Sie ist 1996 Olympiasiegerin geworden, mit dem Team hat sie sogar vier olympische Goldmedaillen gewonnen. Das hat Tradition im deutschen Dressursport, der geprägt wurde von Liselott Linsenhoff, Josef Neckermann und Reiner Klimke. Die Dressurreiter waren stets abonniert auf Erfolge. Kerzengerade im Sattel sitzend führten sie die abgerichteten Gäule im Dressurviereck. Wie von selbst zeigten die Pferde den Altpreußischen Stecher, Piaffen, Passagen und Pirouetten. Seit 1912 ist Dressurreiten olympisch, 37 Medaillen haben die Deutschen seitdem gewonnen.

Dass auch die Dressurreiter von der drakonischen Maßnahme der FN betroffen waren, das hat Isabell Werth, die in Rheinberg eine Zucht mit 40 Pferden betreibt, aufgeregt. "Tatsache ist, dass da Aktionismus entstanden ist", sagte sie. "Da sitzen einige hoch bezahlte Menschen in Warendorf, die ihre Arbeit an eine Kommission abgegeben haben", klagte sie; die Verbandszentrale hat ihren Sitz im westfälischen Warendorf. Werth kritisierte auch, dass es zu wenig Informationen über die Befragung der Kommission gebe, die zur Aufklärung der Dopingvorwürfe gebildet wurde. "Ist das ein Beichtstuhl?", fragte die Juristin: "Welches Rechtsinstitut ist das?" Sie wehre sich gegen "generelle Unterstellungen", dass im Pferdesport in allen Disziplinen manipuliert werde. In einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung hatte Isabell Werth zum Thema Doping gesagt: "Pauschalverurteilungen wie im Skisport verunsichern nur. Ich wehre mich dagegen, unsere Dopingfälle mit denen im Humansport zu vergleichen." Da seien viele Medikamente erlaubt, im Pferdesport gelte die "Nullgrenze". Tatsächlich sind nur Entwurmungen und Impfungen bei Wettkampfpferden erlaubt - auf keinen Fall aber ein Psychopharmakon. Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), sagte gestern: "Das ist extrem enttäuschend, jeder Dopingfall ist katastrophal, aber bei einem Vorbild wie Isabell Werth ist man noch stärker betroffen. In jedem Fall ist Fluphenazin eine Substanz, die meines Wissens in kein Pferd gehört." Fluphenazin gehört zu den hochwirksamen Neuroleptika, ist ein stark wirksames Mittel bei schizophrenen Erkrankungen. Durch Hemmung eines bestimmten Botenstoffes (Dopamin) im Gehirn werden die Symptome einer Psychose und Unruhezustände gedämpft.

Isabell Werth hat die Öffnung der B-Probe beantragt. Die 39-Jährige wurde nach der positiven A-Probe bei ihrem Nachwuchspferd vom Weltverband sofort suspendiert. Die FEI hat für den heutigen Donnerstag eine Telefonkonferenz mit der Reiterin angesetzt. Anschließend soll über die vorläufige Suspendierung entschieden werden.

Zur FEI hat Werth übrigens auch ein gespaltenes Verhältnis. Die Präsidentin der FEI, Prinzessin Haya Bint al-Hussein von Jordanien, möchte dem Dressurreiten am liebsten die olympische Lizenz entziehen - und dem Distanzreiten geben. Seit zwei Jahren ist die Prinzessin recht aktiv im Kampf gegen Doping. Das ist pikant, denn zwei Pferde ihres Ehemanns Scheich Mohammed Bin Raschid al-Maktum wurden positiv getestet. Werth hat das Treiben der Jordanierin wie folgt eingeschätzt: "Haya führt sich auf wie George Bush im Irak."

Isabell Werth muss mit einer längeren Sperre rechnen.

MARKUS VÖLKER

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7 Kommentare

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  • SV
    Sylvia Voigt

    Die süffisante und fachlich auch teilweise fehlerhafte Ausdrucksweise des Autors Markus Völker bzgl. Lektionen im Dressursport mal außer acht gelassen:

     

    Nicht nur Werth oder Ahlmann gehören gesperrt, man sollte mal ein paar Jahre zurückblicken, wer von unseren "großen" Reitern sich da alles schon aus einer Dopingsache heraus manövrieren konnte (und durchaus mit Hilfe der FN): Ulla Salzgeber und Rene Tebbel, um nur zwei zu nennen.

     

    Imho gehören sie allesamt gesperrt.

     

    Die Nummer vom "Leben erleichtern" sowie "Pfleger/Tierarztfehler" können Werth und Co. nur völlig unbedarften Tierliebhabern erzählen.

     

    Wer selbst reitet, weiß um das intensive und auf den Tag zielgerichtete Training, das für diese sportlichen Leistungen nötig ist.

     

    Auch wenn ich weiß, daß Frau Werth Juristin ist, und jede Behauptung gefährlich sein kann, genauso wie jedes Tun, und das müssen übrigens auch Juristen zu ihrer eigenen Person gelten lassen - man darf sicher vermuten, daß Whisper unter Gabe des Psychopharmaka geritten oder in irgendeiner anderen Form für die nötige Form des Turniertages trainiert wurde.

    Damit befand sich Whisper vermutlich nicht in der lebenserleichternden Situation, die in den Medien glauben gemacht wird.

     

    Am ehesten die Reiterin hatte hier eine Lebenserleichterung, wenn sie einem sensiblem Fluchttier und damit leicht irritierbarem Pferd schneller, weil gelassener, die geforderten Schwierigkeitsgrade antrainieren und im Training erhalten konnte - die Schwierigkeitsgrade, die am Tag des Turniers dann mit inzwischen abgebautem Medikament perfekt und placierungswürdig präsentiert werden sollen.

     

    Und nun hat sich wieder einmal ein Tierarzt in der Abbauzeit des Präparates getäuscht.

    Etwas zu knapp bemessen also, die Nummer mit der Beruhigung ?

    Und dann ist es noch besonders blöd gelaufen - schließlich wird ja nicht jedes placierte Pferd zur Dopingprobe herausgepickt...

     

     

    Daß Tierärzte und manchmal auch Pfleger als Schuldige zur Verfügung stehen und die Reiter in die Opferrolle bringen, ist furchtbar - mit dem Wehklagen und der Angst, das Ansehen sämtlicher Ikonen des Reitsports der letzten 20 Jahre zu verlieren, wird das wahre Opfer im Reitsport all dieser Jahre, das Pferd, gleich wieder zur Fußnummer!

     

    Der Dachverband der deutschen Reiterei, FN, ein eingetragener Verein, steckt mitten drin im Dilemma, einen Weg zu finden, der ihn nicht das Gesicht verlieren läßt - einerseits als Tierschützer mit eigener Agenda dem Wohl des Pferdes verschrieben und andererseits als Träger der kommerziellen Vermarktung des Pferdes im Sport.

    Die Kader aufzulösen ist eine Flucht nach vorne, ausgelöst durch Ludger Beerbaum, insofern gebührt ihm mein Respekt -

    Ludger Beerbaum hat der FN definfitv auf die Sprünge geholfen, ohne seine offenen und brutalen Aussagen würden vielleicht auch heute wieder die Dopingfälle nach altbewährtem Muster gelöst werden.

     

    Rechtlich betrachtet hat seine Aussage zum Stallbuch - Eintragung von medikamentösen Behandlungen der Pferde contra Wiederverkaufswert - brisanten Inhalt, meines Wissens hat das Verschweigen von wesentlichen Eigenschaften unangenehme Konsequenzen.

     

     

    Die Ereignisse überschlagen sich derzeit, ich selbst habe 30 Jahre Reitsport mit FN aktiv erlebt, habe vor 5 Monaten endgültig einen Schlußstrich gezogen und hoffe im Namen aller "sauberen" Reiter, daß von der Basis aus ein Neuaufbau möglich wird, der das Pferd artgerecht berücksichtigt.

     

    "Demut und Geduld" sind die Worte, mit denen ich den Umgang mit Pferden und die Reiterei an sich beschreibe, und diese Qualitäten benötigen wir für uns Menschen, das Pferd bringt sie uns ohnehin entgegen.

  • IN
    Ihr Name Jürgen Pasemann

    Es ist schon mehr als unreiterlich ein Pferd mit einer sogenannten"Zitterkrankheit" für den "Großen Dressursport" vorzubereiten!Wo bleibt die Achtung vor der Kreatur und ein ritterliches Verhalten?

    Man sollte auch in Zukunft in der Reiterei mit dem Begriff "Horsemanship" sparsamer umgehen.

  • F
    Fayol

    Auch mir erscheint es so, als ob der Autor des Artikels mit dem Reitsport höchstenfalls nur mäßig vertraut ist. So kommentiert er nicht, dass Doping der Endpunkt und die logische Konsequenz von Strukturen ist, die sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten im Reitsport herausgebildet haben. Denn die Pferde, die Isabelle Werth reitet, gehören nicht ihr, sondern einer der Großmäzene im Reitsport, nämlich der Geschäftsfrau Frau Madeleine Winter. Die Trennung von Reiter und Besitzer und die Tatsache, dass im Reitsport alle Spitzenreiter real Profis und nicht Amateure sind, die ihr Geld ausschließlich über das Reiten verdienen, führen dazu, dass die Reiter unter erheblichen Erfolgsdruck stehen. Dies verführt natürlich zum Griff zu illegalen Mitteln. Wer einen Reitstall hat, weiß, dass das Geld sich nicht über Unterrichten und Breitensport, sondern über Pferdehandel machen lässt. Der Wert eines Pferdes steigt jedoch mit jeder Platzierung. Schon auf sogenannten "Dorfturnieren" sind deshalb wahre Amateure auch in niedrigrangigen Prüfungen mit Profis konfrontiert, die für Züchter junge Pferde vorstellen, die zum Verkauf stehen und deren Preis durch Platzierungen natürlich steigt. Deshalb auch schon auf sehr niedriger Stufe der erschreckende Hang zum Dopen...

    Ich würde mir übrigens auch einmal eine deutliche Reaktion der Tierarztverbände wünschen. Es ist allgemein auch auf lokaler Ebene bekannt, welche Tierärtze "sauber" sind und keine Dopingmittel verschreiben und welche nicht. Reicher werden gemeinhin allerdings die letztgenannten, die den ehrlichen Veterinärmedizinern natürlich die monetär opulente Turnierreiterszene wegnehmen, weil es eben dort - wie erklärt - durch den Kommerzdruck so zahlreiche schwarze Schafe gibt.

    Dass richtiges Dressurreiten wenig mit dem "Abrichten" von Pferden und preußischen Zwangsneurosen zu tun hat - diese Erkenntnis sollte sich der Autor des Artikels einmal durch ein genaues Studium des klassischen Reitens und eventuell einer Stippvisitie in der Spanischen Hofreitschule aneigenen. Vielleicht steigt dann das fachliche Niveau der Artikel.

     

    Mit freundlichen Grüßen

     

    Fayol

  • KP
    Kai Pfeiffer

    Ich bin immer wieder überrascht, mit wie wenig Wissen, Journalisten und sogenannte Tierschützer über unseren Sport berichten. Tatsache ist, dass Wurmkuren und Impfungen nichts mit der sogenannten Nulllösung zu tun haben. Im Übrigen, ist es nicht gestattet nach einer Impfung auf einem Turnier zu starten, sonder man muss 7 Tage pausieren und das Datum der Impfung wird im sogenannten Equidenpass festgehalten.

    Nun zum eigentlichen Problem. Im Pferdesport gilt entgegen dem Humansport ein Nullregel. Das heißt, verletzt sich ein Pferd und mann behandelt dieses z.b. mit einem Antibiotika um eine Entzündung einzudämmen so ist dies nicht tierfeindlich sond schützend. Als Turnierreiter bespricht man sich mit dem Arzt, wie lange man nach der Heilung nicht bei einem Wettbewerb starten darf. Diese Aussage ist für uns Reiter dann die Maßgabe. Durch die immer besser werdende Laborleistung werden wir mittlerweile von den Dopingbestimmungen dann überholt. Denn wenn diese dann noch Reste einer Substanz finden, auch wenn diese therapeutisch keine Bedeutung mehr haben gilt dieses Pferd als gedopt. Dieser Zustand ist nicht haltbar. Für diese Substanzen müssen Grenzwerte gefunden werden. Überschreitet man diese muss man bestraft werden. Solche Substanzen haben nicht mit Leistungssteigerung also Doping zu tun. Die Substanz , welche Frau Werth jetzt zum Verhängnis wird, findet man auch in dem Präperat Sedalin. Dieses ist für Vet-Medizin auch in Deutschland zugelassen, also spricht aus dem Mediziner des DOSB die reine Ahnungslosigkeit. Die Frage in diesem Fall ist also: Wie hoch ist die Konzentration dieses Mittels in dem Pferd. Bei geringer Menge hat Frau Werth recht. Bei großer Menge, lügt und betrügt Sie, da sie sich dann einen Vorteil in Wiesbaden verschafft hat, da dort das unruhigste Viereck in Deutschland ist und Sie das Pferd unerlaubt beruhigt hat. Dann gehört Sie aus dem Sport. Bei dem anderen Sachverhalt , muss man Frau Werth in Schutz nehmen

    Mit reiterlichem Gruss

    Kai Pfeiffer

    Übrigens, finde ich die Formulierung der abgerichteten Pferde völlig daneben

  • F
    frauenkirche

    Nach Beerbaum nun auch Werth. Aber ehrlich gesagt, wer was anderes geglaubt hatte - ist doch sehr naiv.

     

    Beerbaum, der mit seinen Äußerung zurecht kritisiert worden war, muss ebenso wie Werth lebenslang gesperrt werden.

     

    Die Pferde müssen Ihnen wegen Tierquälerei weggenommen werden, damit sie den Rest ihres Lebens nüchtern, stolz und eigensinnig auf der Wiese weiden dürfen.

     

    Wie weit Werth von der Realität entfernt ist, wie wenig, bzw. gar kein Unrechtsbewusstsein besteht, lassen ihre Äußerungen, denen es an Arroganz nicht mangelt, erkennen.

     

    Es muss für den Sport, aber vor allen im Sinne der Tiere entschieden werden.

     

    Raus aus dem Sport, mit Menschen, die so gar nicht fair play spielen -und ausprechen können.

     

    Pfui.

  • SI
    Steffen Ille

    Was mir imponiert, ist der Umgang des Verbandes mit diesen Angelegenheiten.

    Zugegeben, da hätte schon früher etwas genauer hingeschaut werden können, aber die Kader auflösen und erst nach externer Prüfung wieder neu aufzubauen - Respekt, das ist nicht ohne und das traut sich nicht jeder Verband.

     

    Und Tieren Psychopharmaka einzuflößen, damit sie noch etwas besser ein paar unnatürliche Bewegungsabläufe zeigen, ist sowieso unterste Schublade.

  • IW
    Isno Werth

    Mitunter sind menschliche Gehirne etwas gedämpft und das völlig ohne Einsatz von Psychopharmaka.

     

    Wie heisst es so schön:

    Wie der Herr, so das Gescherr.

     

    Und weil hier etwas zu viel verabreicht wurde, sind Pferd und Reiterin jetzt zur völligen sportlichen Starre verurteilt. Recht so.

     

    So sind denn halt die unangenehmen Nebenwirkungen.