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Peter Unfried Die eine FrageWie kann man Klimapolitik wiederbeleben?

Foto: Marco Limberg/X-Press

Als selbst ich im Jahr 2007 die zentrale Wichtigkeit der Linderung des eskalierenden Klimawandels erkannte, da dachte ich naiv: Also, wenn ich das schon gecheckt habe, dann werden es alle anderen ruckzuck auch tun. Das war der erste von vielen Irrtümern meines privaten und beruflichen Anspruchs, Mehrheiten für Klimapolitik und Klimakultur zu sensibilisieren. Es kamen die vergoldeten Merkel-und-SPD-Jahre, in denen eifrig über Klimapolitik geredet wurde und so gut wie nichts getan außer sozialdemokratistischem Politik- und Denkbusiness as usual. Das folgte nach meiner überarbeiteten These einer unausgesprochenen Übereinkunft zwischen Politik und Mehrheitsgesellschaft, dass man zwar von der Spitzenpolitik hören wollte, dass die planetarischen Grundlagen für die ordentliche Weiterexistenz von Menschen und im speziellen Deutschen zwar selbstverständlich sichergestellt würden, man aber auf keinen Fall irgendetwas dafür tun würde und schon gar nicht so einen Irrsinn, wie ein Freibad nicht mehr fossil zu beheizen. Oder so.

Irgendwann in den zehner Jahren war ich an dem Punkt, zu sagen: Wir dürfen nicht so tun, als ob es keine Alternative zur Bekämpfung des Klimawandels gäbe, sondern müssen offen sagen, dass es eine gibt: Nichts tun.

So, und an dem Punkt sind wir jetzt. Schönreden ist nicht mehr. Das ist das Gute an der Sache.

Das „Klimathema“, wie wir in unserer selbstgewählten Grenzdebilität gern sagen, ist durch. Zumindest Stand jetzt. Ein paar besonders Eifrige werfen das den Grünen vor und dass nicht mal sie im Wahlkampf mehr darüber geredet hätten, aber damit wird ja nur das Denken eines realitätsfernen Milieus reproduziert, dass die Welt in Ordnung ist, wenn eine Minderheit eine starke und auf keinen Fall mehrheits- und umsetzungsfähige Haltung vertritt. Nein, das Problem ist, dass tausende Interviews und Wahlanalysen ohne Thematisierung von Klimawandel daherkamen, dass keine politischen Bündnisse möglich waren, die ernsthafte Klimapolitik als gemeinsame Sache ihrer Parteien und Wähler in den Koalitionsvertrag geschrieben hätten.

Gerade noch hatten die Kids von Fridays for Future eine breite Mitte einschließlich gemäßigter Konservativer dazu gebracht, zu denken und zu sagen, dass Klimapolitik nun in Gottes Namen gemacht werden müsse. Das Problem schien aus dem symbolischen Zuständigkeitsreservat von Bewegungen und Grünen auf die überparteiliche Mehrheitsagenda gewandert. Und wurde dann in kurzer Zeit brutal zurückgeschlagen und mit ihm die scheinbar unaufhaltsame Selbstaufklärung der Gesellschaft.

Peter Unfried ist Chef­reporter der taz.

Aber nun geht es nicht darum, das zu beklagen (im Beklagen waren wir immer spitze), sondern es zu verstehen (da waren wir nicht so gut), um darauf reagieren zu können. Was ist da genau passiert? Gern wird psychologisiert, da fänden enorme Verdrängungsleistungen statt, aber so schwer scheint mir das Verdrängen gar nicht zu sein. Letztlich ist es aber schon so, dass Klimapolitik uns nicht in den Kram passt, weil sie für tiefgreifende Veränderungen steht, von denen wir nicht absehen können, was und wie viel die uns kosten werden, ökonomisch, habituell und was die staatlich organisierten Grundlagen unserer Leben angeht. Und damit sind wir bei einer unangenehmen These, die aber auch neues Denken ermöglicht: Wir dachten immer, Konservative (Rechtspopulisten eh) seien das Problem und Linke seien auf dem Klimapolitikticket. Das ist mitnichten der Fall. Beide Glaubensrichtungen haben andere Prioritäten. Auch Teile der Grünen haben übrigens andere Prioritäten.

Schönreden ist nicht mehr. Das ist das Gute an der Sache

Wer also „progressive Mehrheiten“ im Sinne von sozialökologischen Mehrheiten zusammenbringen will, der muss sich und sein politisches Denken ganz neu aufstellen. Und das mache ich jetzt.

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