Pekings Olympiabewerbung für 2022: Favorit mangels Konkurrenz

Das IOC vergibt am Freitag die Olympischen Winterspiele 2022. Obwohl rund um Peking kaum Schnee fällt, ist die chinesische Hauptstadt der Favorit.

chinesisches Mädchen mit zwei chinesischen Fahnen

Peking winken mal wieder Olympische Spiele – diesmal im Winter Foto: ap

PEKING taz | „Achtung“, ruft Ma Ying seinen drei Kollegen zu, die ein paar Meter entfernt hangaufwärts stehen. Gerade noch rechtzeitig gelingt es den Waldarbeitern, dem Geröll und Schotter auszuweichen, die vom Hang herabrutschen. Die gerade gepflanzten Setzlinge sind hinüber. Ma und seine Waldarbeiter nehmen es dennoch mit Fassung. „Dann pflanzen wir halt neue“, sagt er und stößt demonstrativ seinen Spaten in den trockenen Boden für das nächste Loch.

Die Hänge rund um die Hochebene von Zhangjiakou sind erosionsanfällig. Die ehemalige Garnisonsstadt rund 190 Kilometer nordwestlich von Peking ist zwar umringt von hohen Bergen. Doch mit den scharfkantigen Felsen, der spärlichen Vegetation und dem extrem trockenen Boden ist es nur schwer vorstellbar, dass an dieser Stelle bald Skiweltmeister die Pisten hinuntersausen werden.

Sollte Peking am Freitag beim Treffen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) in Kuala Lumpur den Zuschlag für die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2022 erhalten, werden auf der Hochebene von Zhangjiakou aber die Skidisziplinen stattfinden. „Klar werden die Hänge dann noch anfälliger“, sagt Waldarbeiter Ma. Aber genau deswegen sei er zusammen mit Tausenden Kollegen aus dem ganzen Land dabei, die Hänge aufzuforsten. Das soll die Erosion stoppen.

Bis vor Kurzem konnten sich selbst die chinesischen Initiatoren kaum vorstellen, dass die chinesische Hauptstadt zusammen mit dem Vorort Zhangjiakou in die enge Auswahl kommen wird. Aber nicht nur München ist abgesprungen, auch Krakau, Stockholm und Oslo sind nicht mehr dabei. Zur Auswahl steht neben Peking nur noch Almaty in Kasachstan.

Sommer- und Winterspiele

Almaty war im August 2013 die erste Stadt, die sich offiziell um die Olympischen Winterspiele 2022 beworben hat. Sie liegt im Südosten Kasachstans und ist mit rund 1,6 Millionen Einwohnern die größte des Landes.

Punkten will Almatys Bewerbung mit viel natürlichem Schnee, einer langen Wintersporttradition, guter Infrastruktur, geringen Kosten und kurzen Wegen. Bereits in der Sowjetunion war die Stadt ein beliebter Wintersportort. Ein großer Teil der Olympia-Anlagen besteht bereits, bis 2017 sollen 80 Prozent der Infrastruktur stehen. Bei einem Zuschlag sollen noch ein Olympisches Dorf, eine Eishalle und eine Bob- und Rodelbahn hinzukommen. Alle Austragungsorte sollen nicht mehr als 30 Kilometer vom Olympischen Dorf entfernt sein.

Kritiker bemängeln die Menschenrechtslage in dem Land. Gegen Präsident Nursultan Nasarbajew gab es bereits mehrfach Korruptionsvorwürfe. (rom)

„Peking ist zu 100 Prozent imstande, all seine Versprechen einzulösen“, zeigt sich Wang Hui, die stellvertretende Generalsekretärin der chinesischen Bewerbungskommission, siegesgewiss. Und auch der Pekinger Bürgermeister Wang Anshun ist zuversichtlich. „Ich bin sicher, dass wir der zuverlässigste Kooperationspartner für das IOC und alle Beteiligten werden“, sagte er wenige Tage vor der Entscheidung. Die chinesische Hauptstadt wäre die erste Stadt der Welt, die nach den Sommerspielen 2008 auch die Winterspiele ausrichtet.

Tatsächlich ist Peking der Top-Favorit. Denn dass so viele Städte, vor allem aus demokratisch geführten Ländern, ihre Kandidatur aus Sorge vor explodierenden Kosten zurückgezogen haben, hat den IOC-Entscheidungsträgern zu denken gegeben. Peking hatte mit Ausgaben von 47 Milliarden US-Dollar 2008 zwar auch ordentlich geklotzt und die bis dahin teuersten Spiele ausgetragen.

Doch nun versprechen die chinesischen Organisatoren Bescheidenheit. „Für die Eröffnungsfeier und die Eiswettbewerbe können die 2008 errichteten Sportstätten umgerüstet werden“, versichert Wang Hui. Nur für Eisschnelllauf und Curling soll es eine neue Halle geben. Die Kosten werden sehr niedrig bleiben, versichert Wang. Sie geht von knapp 3 Milliarden Dollar Investitionen aus.

Für die Skiwettbewerbe vor den Toren Pekings muss aber eine neue Infrastruktur geschaffen werden. In Zhangjiakou selbst gibt es zwar bereits Pisten, die jedes Jahr mit Tonnen von Kunstschnee zugeschüttet werden. Doch das wird nicht reichen. Für die alpinen Skiwettbewerbe müssen weitere Anlagen gebaut werden.

Kunstschnee senkt den Wasserspiegel

Größtes Problem: der geringe Niederschlag. Der Winter in der Region ist zwar sehr kalt – aber auch extrem trocken. Schnee fällt nur wenige Millimeter im Jahr. Die chinesischen Initiatoren verweisen jedoch darauf, dass selbst Austragungsorte mit viel natürlichem Schneefall Tonnen an Kunstschnee bereit halten. Pekings trockenes Klima sei sogar von Vorteil. Der Kunstschnee sei dann von sehr viel besserer Qualität.

Umweltschützer schlagen dennoch Alarm: Die Menge macht’s, kritisiert der chinesische Umweltaktivist Chen Xia. Schon jetzt würden für die elf existierenden Skianlagen im Umland von Peking jährlich 50 Millionen Kubikmeter Wasser vom nahe gelegenen Reservoir Chongli abgeschöpft. Der Wasserspiegel sinkt seitdem dramatisch. Viele Anwohner sehen die Austragung der Winterspiele kritisch.

Überhaupt ist Skifahren in China noch ein sehr neues Hobby. Erst seit einigen Jahren ist ein kleiner Teil der städtischen Mittelschicht auf den Geschmack gekommen, auf langen Brettern Berghänge herunterzurasen. Doch die Popularität wächst. Nach Angaben der chinesischen Regierung liegt das Potenzial der Chinesen, die sich in den nächsten Jahren für Wintersport begeistern werden, bei 300 Millionen. Allein in den vergangenen zwei Jahren sind vor allem im dicht besiedelten Nordosten des Landes Hunderte von Skischulen eröffnet worden – die meisten staatlich gefördert, versteht sich.

Auch deswegen werden Peking die besseren Chancen als Almaty eingeräumt. Die zuletzt weltweit stagnierende Wintersportindustrie hofft auf kräftig klingelnde Kassen.

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