Pavarotti: Mit den Engeln um die Wette
Luciano Pavarotti ist tot. Mit ihm starb nicht nur ein großer Tenor und brillanter Selbstvermarkter, sondern ein begeisterter Fan der Oper.
Sein letzter öffentlicher Auftritt bei der Eröffnung der Olympischen Winterspiele im Februar 2006 ist im Internet auf YouTube zu sehen und zu hören. Über eine Million Menschen haben die gut drei Minuten lange Darbietung von Puccinis Arie "Nessun Dorma" aus der Oper "Turandot" schon angesehen. Gestern gingen auf der Webseite die Kommentare im Sekundentakt ein. "Fly with the angels, Luciano, as your voice did here on earth", heißt es da. Oder auch, deutlich schlichter: "What a loss!"
Der am 12. Oktober 1935 in Modena geborene Bäckerssohn wurde schon als Kind von seinem Vater, selbst ein angesehener Amateur-Tenor, zum Chorsingen ermuntert. Doch Pavarotti wollte lieber Lehrer werden und entschied sich erst nach zwei Jahren Schuldienst im Jahr 1956, doch Sänger zu werden. Sein Operndebüt als Rodolfo in Puccinis "La Bohème" sorgte 1961 für Aufmerksamkeit in der italienischen Opernszene und brachte ihm Engagements im ganzen Land ein. An seiner Stimme begeisterten vor allem die Natürlichkeit und Sonorität, mit der sie auch beim hohen C noch ganz selbstverständlich und kraftvoll klang. Im selben Jahr begann Pavarotti seine internationale Karriere mit einem Auftritt in Belgrad. Weitere Stationen auf dem Weg zu legendärem Weltruhm waren Covent Garden und schließlich die New Yorker Metropolitan Opera.
Pavarotti wäre aber nicht das Phänomen Pavarotti, wenn er einfach nur außerordentlich gute Arbeit geleistet hätte. Vielleicht war ja doch ein wenig pädagogischer Ehrgeiz aus alten Lehrertagen im Spiel, als er sich dazu entschied, zur Fußball-WM 1990 gemeinsam mit Placido Domingo und José Carreras als "Die drei Tenöre" aufzutreten - mit den bekannten Folgen. Die Plattenaufnahme des Konzerts brach am Klassikmarkt alle Verkaufs- und Geschwindigkeitsrekorde. Den Auftritt der "Drei Tenöre" im Dodger Stadium in Los Angeles zum World-Cup-Finale im Jahr 1994 verfolgten so viele TV-Zuschauer wie bei keinem anderen Musikereignis zuvor. Dann kamen Aufnahmen mit Elton John und Sting. Dass sich auf diese Weise noch etwas mehr Geld verdienen ließ als mit den Operngagen, mag bei dieser Strategie eine Rolle gespielt haben. Auch dass seine Aktionen die Oper oft ein wenig banalisierten und den Personenkult um ihn ins Maßlose vergrößerten, ist so eine Sache. Doch Pavarottis erklärter Ehrgeiz, die Oper populär zu machen, war mehr als bloß kommerzielles Kalkül.
Dieser Ehrgeiz wurde vor allem befeuert durch die Langlebigkeit seiner beispiellosen Stimme, die ihn bis zu den letzten öffentlichen Auftritten nicht verließ. Dass meine eigene Opernerfahrung mit ihm in den Neunzigern etwas ernüchternd war - in Verdis "Un ballo in maschera" an der Met in New York klang der Tenor eher knödelig -, wird eine Ausnahme gewesen sein. Pavarotti hat nicht nur mit seiner Person für die Oper geworben, er initiierte auch einen Gesangswettbewerb zur Förderung von Nachwuchstalenten in Philadelphia. Daneben war er bei den Vereinten Nationen Sonderbotschafter für Frieden und sammelte Spenden für internationale Hilfsorganisationen.
Im vergangenen Jahr musste er sich einer Krebsoperation unterziehen, von der er sich nicht mehr richtig erholte. Luciano Pavarotti, dieser eindeutig größte Opern-Popstar des vergangenen Jahrhunderts, ist am Mittwochmorgen im Alter von 71 Jahren seiner Krankheit erlegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!