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Archiv-Artikel

crime scene Pater Brown

„Das Nazareth-Gen“, „Das fünfte Evangelium“ oder „Der Judasfluch“, die Titel sagen schon alles. Kirchengeschichte trifft auf Verschwörungstheorie. Einen der erfolgreichsten Romane in diesem Thriller-Segment hat der US-Autor Dan Brown geschrieben. „Sakrileg“ soll sich allein in den USA sechs Millionen Mal verkauft haben.

Es fängt spannend an. Robert Langdon, ein Kunsthistoriker und Symbolologe, wird mitten in der Nacht von der französischen Polizei in den Louvre gerufen. Dort ist Jacques Saunière, der Direktor des Museums, ermordet worden. Bevor er gestorben ist, hat er ein Pentagramm und andere geheimnisvolle Zeichen auf den Boden gezeichnet. Langdon hat die Botschaft noch nicht entschlüsselt, da macht Dan Brown ihn schon vom Sachverständigen zum Tatverdächtigen und hetzt ihn mit Sophie Saunière, der Enkelin des Direktors, durch Paris und London. Die Stadtpläne beider Metropolen befinden sich auf den Innenseiten des Buchdeckels, und als ebenso nützlich erweist sich eine Vorbemerkung zu „Fakten und Tatsachen“: Die Geheimgesellschaft der „Prieuré de Sion“, zu der in „Sakrileg“ auch der Louvre-Direktor gehört, gibt es nämlich wirklich. Wer hätte das gedacht.

Dan Browns Methode besteht darin, eine Menge solcher „Fakten und Tatsachen“ zu verwenden und sie mit mehrdeutigen Stellen aus den apokryphen Schriften und einigen kulturgeschichtlichen Betrachtungen rund um die Legende vom Heiligen Gral anzureichern. Daraus strickt er dann eine Verschwörungstheorie, die sich gewaschen hat. „Christus und Maria Magdalena müssen ein Kind gehabt haben“, fasst Langdon die unangenehme Wahrheit zusammen, deren Verbreitung die katholische Sekte Opus Dei mit Auftragsmorden verhindern will, und „Sophie stand da wie vom Donner gerührt“. Über solche stilistischen Entgleisungen liest man hinweg, denn Brown ist ein hochtalentierter Handwerker, dessen Spezialität superkurze Kapitel und perfekte dramaturgische Täuschungsmanöver sind.

Nicht schlecht, mehr aber auch nicht. Wie viele der derzeit so beliebten Vatikan- und Bibelkrimis ist dieser Roman ein rasanter Page Turner, der von einem faszinierenden Stoff und ein paar gelungenen Erzähltricks lebt und sonst wenig zu bieten hat: „Sakrileg“ ist kein Thriller, sondern nur die Imitation eines Thrillers. Man könnte ihn mit den perfekten, aber seelenlosen Apparaten vergleichen, die im 18. Jahrhundert staunende Zuschauer fanden. Die Kirche bekämpfte diese Maschinen, in einigen Fällen hat sie sie sich allerdings auch zunutze gemacht – zumindest wenn man dem argentinischen Schriftsteller Pablo de Santis folgt. Sein dunkler und schöner Roman „Voltaires Kalligraph“, in vielerlei Hinsicht das genaue Gegenteil von Browns „Sakrileg“, erzählt von einem französischen Justizskandal aus dem Jahre 1761, von einer Intrige der katholischen Kirche und von einem Schreibautomaten, der unter anderem in der Rolle eines schweigsamen, aber auf dem Papier recht mitteilsamen Erzbischofs glänzt.

„Wer schreibt, spricht von Dingen, die nicht da sind“, weiß der Kalligraph, der im Auftrag des sterbenden Voltaire Ermittlungen anstellt. Auch Pablo de Santis spielt also mit den Lücken der Überlieferung und sucht im Schatten der kulturgeschichtlichen Tradierung nach finsteren Geschichten und verborgenen Wahrheiten. Anders als bei Brown fügen sich die Fundstücke bei ihm jedoch nicht nahtlos aneinander. „Alles hängt zusammen“, sagt Sophie einmal in „Sakrileg“, und genau das ist das Langweilige an Verschwörungstheorien, selbst wenn ihr Inhalt noch so spektakulär und ketzerisch ist. „Voltaires Kalligraph“ erzählt dagegen davon, dass auch in einer enzyklopädisch erfassten Welt nichts zueinander passt. Kein ketzerischer, eher ein beunruhigender Gedanke. KOLJA MENSING

Dan Brown: „Sakrileg“. Aus dem Amerikanischen von Piet van Poll. Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 2004, 606 S., 19,90 Euro Pablo De Santis: „Voltaires Kalligraph“. Aus dem Spanischen von Claudia Wuttke. Unionsverlag, Zürich 2004, 185 S., 16,90 Euro