Patente auf Stammzellen: Rückschlag für Greenpeace

Das Verbot für Stammzellen-Forscher Oliver Brüstle wackelt. Greenpeace hatte gegen das Stammzellpatent geklagt. Entscheidet jetzt der Europäische Gerichtshof?

Die Causa "Greenpeace gegen Brüstle". Bild: dpa

Greenpeace hat beim Versuch "Patente auf Leben" zu verhindern, wahrscheinlich einen Rückschlag erlitten. Der Bundesgerichtshof (BGH) zweifelt am Verbot von Patenten auf Stammzellverfahren und wird den Fall des Bonner Mediziners Oliver Brüstle dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegen.

Brüstle ist einer der führenden deutschen Stammzellforscher. 1999 hat er sich eine Methode patentieren lassen, mit der man menschliche Nervenzellen herstellen kann. Aus embryonalen Stammzellen werden dabei Vorläuferzellen des Gehirns hergestellt, um sie später ins Nervensystem zu transplantieren. Eines Tages könnten mithilfe dieser Methode Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Multiple Sklerose behandelt werden. Stammzellen sind Zellen, die sich noch in jegliche Art von Zelltyp entwickeln können.

Allerdings hat die Umweltschutzorganisation Greenpeace gegen das Stammzellpatent geklagt. Es verstoße gegen das deutsche Patentgesetz, in dem es heißt: "Insbesondere werden Patente nicht erteilt für die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken."

Die Klage von Greenpeace hatte in erster Instanz Erfolg. Das Bundespatentgericht erklärte 2006 das Patent von Brüstle für nichtig, soweit es sich auf menschliche embryonale Stammzellen bezieht. Zwar werden bei Brüstles Verfahren nicht direkt Embryonen verwendet, aber im Vorfeld, bei der Gewinnung der Stammzellen, seien menschliche Embryonen vernichtet worden.

Gegen diese Entscheidung war der in Bonn forschende Brüstle jetzt zum BGH in Revision gegangen. Brüstle kann nicht verstehen, warum er zwar mit Stammzellen forschen darf, seine Ergebnisse dann aber nicht patentwürdig sein sollen. Er beruft sich dabei auf das deutsche Stammzellengesetz. Es erlaubt die Forschungen an importierten Stammzelllinien, die vor Mai 2007 erzeugt wurden. Der Stichtag war auf Wunsch der Forscher erst im Vorjahr um fünf Jahre verschoben worden, um auch auf neuere Zelllinien zugreifen zu können.

Mit diesem Argument hatte Brüstle beim BGH tendenziell Erfolg. "Wenn etwas gesetzlich erlaubt ist, sollte ein Patent darauf eigentlich nicht verboten sein", gab Peter Meier-Beck, der Vorsitzende Richter, zu bedenken. Im Patentrecht gelte traditionell eher die umgekehrte Faustregel, dass auch Erfindungen patentiert werden können, deren praktische Anwendung (in manchen Ländern) gesetzlich verboten ist. Ein absolutes Patentverbot gelte in der Regel nur, wenn eine Erfindung gegen die Grundwerte der Gesellschaft verstoße.

Der BGH hält es für denkbar, das Patentgesetz weniger streng auszulegen als die Vorinstanz. "Die Nutzung von Stammzellen wird in Deutschland und Europa kontrovers beurteilt, ein absolutes Patentverbot geht hier wohl zu weit", erklärte Meier-Beck. Er kann sich vorstellen, dass Stammzellpatente zu Forschung und Therapiezwecken vom gesetzlichen Verbot nicht umfasst sind. Dagegen soll das Klonen von Tieren oder die Veränderung des menschlichen Erbgutes auch künftig nicht patentiert werden können. "Nur solche Erfindungen haben eindeutig den Schutz und die Förderung des Staates nicht verdient", sagte der BGH-Richter.

Der BGH will die Auslegung des Patentgesetzes voraussichtlich aber nicht selbst vornehmen, sondern den Fall in Luxemburg beim EuGH vorlegen, kündigte Meier-Beck zu Beginn der Verhandlung an. Schließlich beruhe die fragliche Passage des deutschen Patentgesetzes auf einer EU-Richtlinie und müsse daher europaweit einheitlich ausgelegt werden. Die Entscheidung des BGH fiel gestern aber erst nach Redaktionsschluss.

Ob der EuGH dann die forschungsfreundliche Linie des BGH unterstützt oder das generelle Patentverbot für Stammzellverfahren bestätigt, ist noch nicht abzusehen. Ein Vorlageverfahren in Luxemburg dauert etwa ein bis zwei Jahre.

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