Partnerland Mexiko bei Industriemesse: Die Windräder des Bösen
Am Sonntag eröffnet Mexikos Präsident die Hannover-Messe, um für Investitionen zu werben. Auf die Rechte Indigener wird nicht geachtet.
Das ist ein Verstoß gegen internationales Recht. Die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation und die UN-Erklärung über die Rechte indigener Völker sehen vor, dass die Gemeinschaften befragt werden müssen, bevor Großprojekte auf ihrem Boden geplant werden. Die Bewohner haben deshalb Klage gegen die Windanlage eingereicht.
Die rund 100.000 indigenen Zapoteken, die in den Gemeinden der Landenge von Tehuantepec im Bundesstaat Oaxaca leben, haben allen Grund zur Skepsis. Noch immer sind zahlreiche Gemeinden von dem Erbeben im September 2017 gezeichnet: eingestürzte Häuser, Geröllhaufen, zerstörte Straßen.
Bis heute warten viele Bewohner vergeblich auf Unterstützung von der Regierung. Ihre Vorfahren hatten sich vor über 3.000 Jahren in dieser tropischen, von Wind und Hitze geprägten Region niedergelassen. Viele Bewohner betrachten das Land als kollektives Eigentum für Ackerbau und Viehzucht.
Vergifteter Boden
Doch immer wieder müssen sie erleben, wie Behörden, korrupte Politiker und Unternehmer dort Projekte in Angriff nehmen, die die natürlichen Lebensgrundlagen zerstören. Garnelenzuchtanlagen vernichten Mangrovenwälder, Erdölraffinerien verschmutzen die Fischgründe im Meer, ein geplantes Bergwerk würde Flüsse und Boden vergiften.
Und nun also ein neuer Windpark. Schon jetzt befinden sich auf der Landenge zwischen Pazifik und Atlantik auf 21 Energieparks über 1.500 Windräder. Unzählige von ihnen zieren die Felder entlang der Hauptstraße, die in den Süden, nach Guatemala führt. In Reih und Glied stehen sie da, wie eine gigantische Armee aus Betonriesen, die nur langsam am Horizont des flachen Landes verschwindet. Allein in Unión Hidalgo wurden zwei Windparks erstellt: Piedra Larga I und II.
Viele Bewohner der Landenge wehren sich mit Demonstrationen, Straßenblockaden und juristischen Mitteln gegen diese Projekte, zumal in den Gemeinden meist nur eine korrupte Clique von Mächtigen davon profitiert. Dasselbe gilt für den Bergbau. Den Streitigkeiten zwischen Gewinnern und Verlierern solcher Anlagen fallen immer wieder Menschen zum Opfer.
So ermordeten Unbekannte im Februar drei Aktivisten der Organisation Codedi, die gegen den Bergbau und für das Selbstbestimmungsrecht der indigenen Gemeinden kämpft. Mindestens 37 Menschen starben laut Amnesty International 2017 in Mexiko wegen solcher Konflikte.
Wenn der mexikanische Präsident Enrique Peña Nieto am Sonntag bei der Eröffnung der Hannover-Messe spricht, wird von diesen Toten keine Rede sein. Mexiko ist das Partnerland der Industrieschau, und da geht es um den Produktions- und Exportstandort. „Wir wollen das neue Gesicht Mexikos zeigen, das moderne Mexiko“, erklärte Wirtschaftsminister José Rogelio Garza.
Das Land ist der viertgrößte Exporteur von Automobilen und Elektrowaren, bietet günstige Arbeitskräfte und hat über 40 Freihandelsverträge vereinbart. Zwar sind die Perspektiven für Ausfuhren in die USA derzeit wegen der protektionistischen Politik des US-Präsidenten Donald Trump unsicher, aber Mexiko gilt zugleich als Sprungbrett nach Asien. Mit der Privatisierung der staatlichen Erdölindustrie hat Peña Nietos Regierung zudem dafür gesorgt, dass internationale Investoren freie Hand haben. Der Bergbau soll intensiviert und die Windkraft gestärkt werden.
Erweitertes VW-Werk
Für deutsche Unternehmen ist Mexiko zu einem bedeutsamen Partner geworden. Rund 2.000 Firmen sind dort vertreten. Insbesondere die Fahrzeugindustrie und ihre Zulieferer haben zugelegt: VW hat sein Werk erweitert, Daimler, Audi und BMW sind mit neuen Fabriken angetreten. Auch der Siemens-Konzern plant, seine Investitionen zu intensivieren.
Die Energiereform eröffne viele Optionen, heißt es bei Siemens-Mexiko. Deren Vertreter Iván Pelayo kündigte an, man werde mit dem Partner Grupo México in Hannover die Fortschritte im Bergbaubereich vorstellen. Mit der Grupo México arbeiten die Deutschen daran, den Kupferabbau in der Mine Buenavista del Cobre effektiver zu gestalten. Das Bergwerk im nördlichen Bundesstaat Sonora hat eine lange Geschichte von verfolgten Gewerkschaftern, Unfällen und Umweltkatastrophen. Viele Opfer eines Chemieunglücks von 2014 warten bis heute auf eine Entschädigung.
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Angesichts korrupter Politiker, krimineller Banden und ungeklärter Landkonflikte kann in vielen Regionen Mexikos niemand garantieren, dass die Betroffenen solcher Großprojekte zu ihrem Recht kommen. Dennoch planen europäische Firmen weitere Windparks. Auch Siemens will 300 Millionen US-Dollar in Unión Hidalgo investieren, bestätigte im März der Energieminister von Oaxaca, José Luis Calvo Ziga. An den bereits bestehenden Anlagen ist das spanische Unternehmen Gamesa beteiligt, das 2017 mit dem deutschen Konzern fusionierte. Gamesa ist einer der Hauptakteure im mexikanischen Windenergiegeschäft.
In Unión Hidalgo und anderen Städten der Region denkt man ungern daran zurück, wie die Windparks Piedra Larga I und II durchgesetzt wurden. Auch damals seien sie nicht gefragt worden, berichten Bewohnerinnen und Bewohner. Billigen Strom, Arbeitsplätze und Geld hätten die Unternehmen versprochen, aber von all dem sei nichts geblieben. Ein paar hundert Euro Pacht erhalten die Bauern jährlich pro Windrad, in Deutschland sind es ab 50.000 Euro aufwärts.
Ein Projekt liegt auf Eis
Von einer günstigen Energieversorgung kann auch nicht die Rede sein. Der „saubere Strom“ geht via Exklusivvertrag direkt an Konzerne wie Walmart. Auch VW will sein Werk mit der grünen Energie eines eigens dafür gebauten Windparks versorgen. Sie seien nicht gegen Windenergie, sagt die Aktivistin Bettina Cruz, sondern gegen die Gewalt, mit der transnationale Unternehmen ihre Projekte durchsetzen. „Das Schlimmste ist, dass sie unsere Gemeinschaften gespalten haben“, sagt die Indigene, für die die staatliche Kommission für Menschenrechte jüngst Schutzmaßnahmen gefordert hat. Bettina Cruz war mehrmals Opfer von Angriffen geworden.
„Die Anlagen nutzen nur denen, die Zugang zu den Windfirmen, den Politikern und reichen Bauern haben“, ergänzt der in der Landenge ansässige Pfarrer Benito Velázco Pardo. In Unión Hidalgo ist das zum Beispiel Bürgermeister Wilson Sanchez Chévez. Der Gemeindepräsident geriet jüngst in die Kritik, weil er Hilfsgelder für Opfer des Erdbebens gezielt an Angehörige und Freunde verteilt hat.
Mit dem neuen Energiepark sieht es für ihn derzeit schlecht aus. Wegen des Widerstands der Bevölkerung liegt das Projekt auf Eis, bis eine Befragung durchgeführt wurde. Und die könne sich wegen der Schäden durch das Beben verzögern, erklären die Aktivisten: „Die Behörden müssen verstehen, dass man keine Befragung mit Menschen durchführen kann, die kein würdiges Dach über dem Kopf haben.“
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