Parteitag der CSU in Nürnberg: Der "schwarze Peter" kehrt zurück
Der Euro-Skeptiker Peter Gauweiler will Vize-Chef der CSU werden. Die Chancen stehen gut, dass er die Kampfabstimmung gegen Verkehrsminister Peter Ramsauer gewinnt.
MÜNCHEN taz | Alles hätte so schön nach Plan laufen können beim Parteitag der CSU in Nürnberg, der an diesem Freitag beginnt. Parteichef Horst Seehofer hatte bereits seine Wunschkandidaten für den Parteivorstand präsentiert. Am Samstag steht die Wahl auf der Tagesordnung. Der in der CSU übliche Regionalproporz wäre eingehalten und die in der Partei neu eingeführte Frauenquote beachtet worden. Doch dann kam Peter Gauweiler.
Als fünfter Bewerber kandidiert der 62-Jährige Bundestagsabgeordnete für einen der vier Posten des stellvertretenden Parteivorsitzenden. Doch es ist nicht nur die außerplanmäßige Kandidatur des "schwarzen Peter", wie er sich ab und an selber nennt, die die CSU-Ruhe stört. Auch seine vehemente Euro-Skepsis könnte der bayerischen Partei eine neue, noch europafeindlichere Richtung geben, sollten eine Mehrheit der rund 1.000 Delegierten für ihn stimmen.
Gauweiler gilt als politischer Ziehsohn des CSU-Übervaters Franz Josef Strauß und wetterte bereits in den 1980er Jahren als bayerischer Innenstaatssekretär gegen HIV-Infizierte und Asylbewerber. Er steht für ein Heimatgefühl, das vielen Mitgliedern unter ihrem strategisch umschwenkenden Vorsitzenden zuletzt arg abgegangen war. Bislang als unumstößlich geltende Werte hatte Seehofer einfach so drein gegeben: Unter ihm wurden die bayerischen Atomkraftwerke abschaltet, die zuvor als unverzichtbar für den Fortschritt und die Prosperität des Landes gegolten hatten.
Dann wurde unter Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) die allgemeine Wehrpflicht ausgesetzt; auch sie ein "Markenkern der CSU". Und auch bei der Euro-Krise fährt Seehofer eine zweigleisige Strategie: In Bayern fordert er mit der FDP ein geordnetes Insolvenz-Verfahren für bankrotte Euro-Staaten. Im Bund stimmt er mit Merkels CDU für die Erweiterung des Rettungsschirms. Eine Wankelmütigkeit, die für viele in der CSU-Basis nicht nachvollziehbar ist.
Klage gegen den Vertrag von Lissabon
Gauweiler indes hat schon 1992 die Maastricht-Verträge zum Ärger seines damaligen Parteichefs Theo Waigel als "ausgemachte Schnapsidee" bezeichnet. Bei der Einführung des Euro sprach er abfällig vom "Esperanto-Geld". 2005 reichte er beim Bundesverfassungsgericht Klage gegen den Vertrag von Lissabon ein. Und im Bundestag stimmte er gegen den Milliardentransfer nach Griechenland und gegen die Erweiterung des Rettungsschirms.
Bei der Herbstwallfahrt des katholischen Männervereins im oberbayerischen Tuntenhausen konnte man schon mal hören, welchen rhetorischen Kurs Gauweiler einschlagen wird: "Wir sollten nicht die Münze, sondern das Kreuz zum Symbol des Zusammenhalts machen", sagte er unter tosendem Beifall. "Das ist unser Symbol und nicht das komische E mit den zwei Strichen dahinter."
Gauweilers klare Überzeugung in der Europa-Frage könnte der CSU durchaus nützen. Im Gegensatz zu Seehofer bindet er den euro-skeptischen rechten Rand der CSU wieder stärker an die Partei. "Ich bin überzeugt, dass meine Kandidatur einen Beitrag dazu leisten kann, die thematische und personelle Bandbreite der CSU zu erweitern", erklärte Gauweiler. In Zeiten, in denen die Christsozialen zum ersten Mal seit Jahrzehnten fürchten müssen, 2013 von einem Bündnis aus SPD, Grünen und Freien Wählern abgewählt zu werden, kann das nur helfen.
Wie die Wahl ablaufen wird, ist nicht noch nicht klar. Ob die vier Stellvertreter Seehofers einzeln oder en bloc gewählt werden, obliegt der Entscheidung der Delegierten. Im Falle einer Sammelabstimmung sind die vier der fünf Kandidaten gewählt, die die meisten Stimmen bekommen. Dann könnte es der bisher etwas konturlos gebliebenen Justizministerin Beate Merk an den Kragen gehen.
Kommt es jedoch zu einer Kampfabstimmung, was als wahrscheinlich gilt, müsste Gauweiler direkt gegen einen der anderen vier Kandidaten antreten. Um den Regionalproporz und die Frauenquote zu wahren, käme da nur Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, auch ein Oberbayer, in Frage. Dass sich der charismatische Gauweiler gegen den in der Partei nicht sonderlich beliebten Ramsauer durchsetzt, gilt als ausgemacht.
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