Nach Euro-Urteil aus Karlsruhe: Das Auge lacht und weint

Die Kanzlerin sieht sich in ihrem Europa-Kurs bestätigt, die EU-Kommission ist erleichtert. Und die Kläger sehen das Urteil trotz Enttäuschung wenigstens als Teilerfolg.

Die Verfassungsrichter geben grünes Licht für Milliardenhilfen. Bild: dapd

KARLSRUHE/BERLIN/BRÜSSEL dpa/rtr | Mit dem Ja des Bundesverfassungsgerichts zu den Euro-Hilfen bekommt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Rückendeckung für ihren umstrittenen Kurs in der Schuldenkrise. Die obersten deutschen Richter billigten am Mittwoch in Karlsruhe die ersten Rettungspakete für Griechenland und den Euro.

Künftig erhält der Bundestag aber mehr Macht bei der Vergabe neuer Milliarden an marode Euro-Schuldenländer. Die Verfassungshüter betonten zugleich, das Urteil sei für die Regierung "keine Blanko-Ermächtigung für weitere Rettungspakete". Merkel reagierte erleichtert, auch die nervösen Börsen zogen an. Die Chancen für die Einführung von Eurobonds dürften mit der Entscheidung gesunken sein.

Mit der Entscheidung knüpft das Gericht an seine Urteile zu den Verträgen von Maastricht und Lissabon an, bei denen es die Souveränität des deutschen Staates hervorhob. Erneut findet sich ein klares Nein gegen Mehrheitsentscheidungen in der EU, bei denen Deutschland überstimmt werden könnte.

In diese Rubrik fallen auch die Eurobonds, da auch bei ihnen die deutsche Regierung nicht in allen Belangen Herr des Verfahren sein könnte. Die Vergemeinschaftung von Staatsschulden berge ein hohes Risiko für die Eigenverantwortung.

Die Kanzlerin sagte in der Generaldebatte des Bundestages zum Haushalt, Karlsruhe habe die bisherige Euro-Politik "absolut bestätigt". Es gehe um Eigenverantwortung und Solidarität in Europa, die transparent und mit absoluter Mitbestimmung des Parlaments umgesetzt würden. "Das ist genau der Weg, den wir gegangen sind." Leidenschaftlich warb die CDU-Chefin für Europa. "Scheitert der Euro, scheitert Europa."

Bundestagspräsident Norbert Lammert sagte, Gewinner sei die Demokratie. Es sei jetzt "glasklare Verfassungslage", dass der Bundestag seine Budgethoheit nicht an andere Akteure abgeben dürfe. In Brüssel reagierte die EU-Kommission zufrieden. Auch die Opposition begrüßte die stärkere Stellung des Bundestages. Die Grünen sprachen von einer guten Nachricht für Europa.

"Eine Ohrfeige für die Bedürftigen in unserem Land"

Der Kläger und CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler nahm die Entscheidung "mit einem lachenden und weinenden Auge" entgegen. Das Gericht habe eine "erste dünne Grenze" gezogen, die nicht überschritten werden dürfe. Die Maßgaben des Gerichtes seien aber nur "kleine Trippelschritte" im Vergleich zum dem, was er sich erhofft habe. Immerhin: "Das Parlament hat jetzt das letzte Wort, es gibt keine Pauschalermächtigung mehr." Enttäuscht zeigte sich Gauweiler von der Feststellung des Gerichts, die Schuldenbremse im Grundgesetz gelte nur für Schulden und Kredite, nicht jedoch für Bürgschaften.

Sein Mitstreiter Karl Albrecht Schachtschneider reagierte wesentlich enttäuschter: "Das ist ein schlechter Tag für Deutschland und für Europa und eine Ohrfeige für die Bedürftigen in unserem Land." Er kritisierte den Zweiten Senat: "Was soll der Bürger mit einem Gericht, das dem Bürger keinen Schutz gibt?" Schachtschneider stellte weitere Klagen in Aussicht. Der ökonomische Prozess in Europa werde weiter fortschreiten und "so vernichtend für die Währungsunion sein, dass die Bürger weitere Prozesse werden führen müssen", prognostizierte er.

Auch er sah die Entscheidung jedoch als Teilerfolg an. Das Gericht habe lediglich entschieden, dass die Grenze beim Euro-Rettungsschirm "noch nicht überschritten" sei. Er betonte, eine "unbegrenzte Ausgabe von Euro-Bonds", also gemeinsamen Staatsanleiehn aller Euro-Staaten, sei nach diesem Urteil nicht mehr möglich.

Ein weiterer Beschwerdeführer, der emeritierte Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Tübingen, Joachim Starbatty, sagte: "Das Urteil ist mehr als ein Teilerfolg, weil es die Grenzen politischer Macht aufgezeigt hat."

"Historische Herausforderungen dauerhaft bewältigen"

Positive Reaktionen kamen auch von der CSU. Die Partei zeigte sich überzeugt, dass nun den Weg frei sei für eine rasche Einigung mit der Opposition über größere Beteiligungsrechte des Parlaments bei künftigen Hilfsmaßnahmen. "Ich bin mir sicher, dass wir nun rasch gemeinsam mit der Opposition zu einer Einigung gelangen und die Parlamentsbeteiligung auf eine breite parlamentarische Basis stellen", erklärte die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, am Mittwoch in Berlin.

Die Vorgaben aus Karlsruhe würden nach eingehender Prüfung im anstehenden Gesetzgebungsverfahren berücksichtigt. Der Ertüchtigung des Euro-Rettungsschirmes und ihrer Umsetzung im nationalen Recht stehe damit nichts mehr im Weg, sagte Hasselfeldt. "Mit dem heutigen Urteil sind die Grundlagen dafür gelegt, dass wir die historischen Herausforderungen, vor denen die Euro-Zone steht, dauerhaft bewältigen können."

Die EU-Kommission reagierte erleichtert. Die Behörde nehme das Urteil zufrieden zur Kenntnis, sagte die Sprecherin von EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso am Mittwoch in Brüssel. Das Urteil habe bestätigt, dass die Hilfen für Griechenland und der Euro-Rettungsschirm mit der deutschen Verfassung in Einklang stünden. Dieser Umstand habe großen Einfluss auf die Fähigkeit der EU und ihrer Mitgliedstaaten, die Schuldenkrise zu überwinden.

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