Parteienstreit um Flüchtlinge: SPD verteidigt Merkel gegen CSU
Immer vehementer wird die Abgrenzung der CSU von Merkels Flüchtlingspolitik. Beim Koalitionspartner SPD stößt das auf Unverständnis.
SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte: „Ich halte überhaupt nichts davon, auf dem Rücken der Flüchtlinge jetzt parteipolitisches Gezänk zu betreiben.“ Das verunsichere nur die Menschen in Deutschland und zerstöre die vorhandene Hilfsbereitschaft, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Wir sollten jetzt alle Kraft darauf verwenden, die richtigen Entschlüsse zu fassen, um die Flüchtlinge unterzubringen und rasch zu integrieren.“
Seehofer hatte Merkels Entscheidung vom vergangenen Wochenende kritisiert, Flüchtlinge aus Ungarn unregistriert nach Deutschland reisen zu lassen. „Das war ein Fehler, der uns noch lange beschäftigen wird. Ich sehe keine Möglichkeit, den Stöpsel wieder auf die Flasche zu kriegen“, sagte er dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Zugleich kündigte er an, den umstrittenen ungarischen Regierungschef Viktor Orban zur nächsten CSU-Klausurtagung einzuladen, um gemeinsam mit ihm nach einer Lösung der Flüchtlingskrise suchen.
Dies kritisierte SPD-Bundesvize Ralf Stegner. Dass Seehofer demonstrativ die Nähe „des unseligen ungarischen Rechtspopulisten“ Orban suche, zeige, „dass die CSU ihre Geisterfahrt in der Flüchtlings- und Europapolitik fortsetzen will“. Dem Handelsblatt sagte Stegner: „Zum Glück für Deutschland wird so eine unverantwortliche Haltung niemals gemeinsame Politik einer Bundesregierung sein können, an der die SPD beteiligt ist.“
Außerdem verglich Stegner Seehofer mit Donald Trump, einem Kandidaten der US-Republikaner für die nächste Präsidentenwahl. „Horst Seehofer muss aufpassen, dass er nicht zu einem deutschen Donald Trump wird“, sagte er der Bild am Sonntag.
Mit Orban reden?
Kritik an der CSU kam auch aus der Opposition. Statt dafür zu sorgen, dass Asylsuchende gut versorgt und integriert würden, spiele die CSU „den Rambo“ und setze weiter „auf Abgrenzung und Schikanen“, sagte Grünen-Chefin Simone Peter den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Der Parteivorsitzende der Linken, Bernd Riexinger, warf der CSU vor, „Rassismus endgültig zur Chefsache“ zu machen. „Nachdem bislang fast jeder aus der CSU mit fragwürdigen Äußerungen über Flüchtlinge vorpreschen durfte, setzt Seehofer jetzt noch einen drauf und macht damit klar, dass die CSU sich (...) mit einem strammen Rechtskurs profilieren will.“
Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), verteidigte die Einladung des ungarischen Regierungschefs durch Seehofer. „Man muss mit Orban reden. Bei der Grenzsicherung bringt er Dinge ein, die wir in Europa diskutieren müssen“, sagte er der Mittelbayerischen Zeitung. „Wer den Schengenraum und damit die Reisefreiheit erhalten will, muss dafür sorgen, dass die Außengrenze gesichert wird.“
Der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) forderte die Kanzlerin auf, stärker auf die Sorgen der Skeptiker einzugehen. „Wir müssen denen, die sich Sorgen machen, sagen, was in einem, in zwei Jahren ist. Dazu ist die Bundesregierung bisher noch sehr zurückhaltend. Aber darauf wird es ankommen“, sagte Stoiber der Zeitung Die Welt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin