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Parlamentswahl in Malaysia97-Jähriger wirbt um Jungwähler

Malaysias früherer Premier Mahathir will es noch einmal wissen und kämpft gegen seine Ex-Partei. Unter deren Methoden leidet das Land bis heute.

Macht auf Jungspund: Malaysias früherer Premierminister Mahathir Mohamad (97) Foto: Hasnoor Hussain/reuters

Kuala Lumpur/Berlin taz | Kaum hatte Malaysias Premier Ismail Sabri Yaakob Anfang Oktober vorgezogene Neuwahlen angekündigt, kaufte sich Kyle Tudi für den Wahltag 19. November ein Flugticket in seine Heimatstadt Kuching auf Borneo. „Ich will auf jeden Fall wählen“, sagt der 20-Jährige, der in Kuala Lumpur studiert, aber in Kuching gemeldet ist.

Auch Azul Aiman (21) will wählen, weiß aber nicht, ob er es zeitlich überhaupt schafft, denn er ist im Zoo von Kuala Lumpur Fahrer der kleinen Besucherbahn: „Bei Hochbetrieb muss ich arbeiten.“

Aiman ist ein muslimischer Malaie, Tudi katholischer Sprössling der indigenen Ethnie Melanu. Außer bei Religion und ethnischer Herkunft haben sie viel gemeinsam und profitieren jetzt als Erstwähler von der Senkung des Wahlalters auf 18.

Beide wünschen sich von der neuen Regierung bessere Bildungs- und Jobchancen und eine Gesellschaft, in der für eine Karriere Religion und Ethnie keine Rolle spielen. Das ist ein Grundproblem im multireligiös-multiethnischen Malaysia (etwa 50 Prozent muslimische Malaien, 24 Prozent Chinesen, 11 Prozent Indigene, 7 Prozent Inder).

Viele Jungwähler durch Senkung des Wahlalters

Denn die meisten Parteien gründen auf ethnisch-religiöser Zugehörigkeit. Allen voran die Umno (United Malays National Organisation) als Partei der islamischen Malaien, die seit der Unabhängigkeit dominiert. Der Schock war groß, als die Umno die letzte Parlamentswahl 2018 krachend verlor.

Die Malaysier hatten die Nase voll von der durch Jahrzehnte der Umno-Herrschaft systemisch gewordenen Korruption und stimmten mehrheitlich für die multiethnische „Allianz der Hoffnung“ von Oppositionsführer Anwar Ibrahim (75) und dem heute 97 Jahre alten Mahathir Mohamad. Die beiden sind seit Jahrzehnten verfeindet.

Im Juli 2020 wurde der vorherige Umno-Premier Najib Razak wegen der Veruntreuung von Milliarden US-Dollar aus dem Staatsfonds 1MDB zu zwölf Jahren Haft verurteilt – für Malaysia war das eine Sensation.

Die Reformregierung ausgerechnet von Mahathir – der in seiner ersten Regierungszeit (1981-2003) als Premier der Umno der Kleptokratie und religiös-ethnischer Spaltung der Gesellschaft den Weg ebnete – machte Malaysia offener und freier.

Doch er wurde im Februar 2020 von Abtrünnigen der Regierungsparteien zusammen mit der Umno und der islamistischen PAS gestürzt.

Selbstamnestie alter Seilschaften befürchtet

Es folgten politische Instabilität und neue Einschränkungen demokratischer Freiheiten unter der neuen Umno-Regierung. Deren Führungspersonal, dem derzeit wegen Korruption der Prozess gemacht wird, setzt darauf, „dass die Umno nach einem Wahlsieg die Verfahren niederschlägt“,“ sagt Thomas Fann, Vorsitzender des Bündnisses für freie und faire Wahlen Bersih („sauber“).

Mit mehr als sechs Millionen der 21 Millionen Wahlberechtigten hat die Zahl der Jungwähler im Alter von 18 bis 30 Jahren jetzt ein Rekordniveau erreicht. Und mit der multiethnischen neuen Jugendpartei Muda („jung“) sind die Jungwähler auch ein Faktor beim Urnengang.

Dem Politfuchs Mahathir ist der demographische Wandel nicht verborgen geblieben und so macht der 97-Jährige jetzt auf Jungspund. Es sei Zeit, dass die Jugend in der Politik an Bedeutung gewinne, sagt er. Aber bitte nicht in Führungspositionen. Denn dazu fehle die Erfahrung.

Muda hat sich keiner der drei Parteibündnisse angeschlossen, steht aber der „Allianz der Hoffnung“ von Anwar nahe. Fann von Bersih findet: „Muda hat zwar keine klare Politik, bringt aber frischen Wind in die Politik und wäre im Parlament ein Gewinn.“

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