Parlamentswahl in Großbritannien: Konservative im Abwind
Der Chef der Konservativen in Großbritannien, David Cameron, sah sich schon als nächster Premier in Downing Street No. 10. Der Traum könnte bei der Wahl im Mai platzen
Sie hatten es sich so schön ausgemalt: Bei den britischen Parlamentswahlen im Mai würden die Tories haushoch gewinnen, und David Cameron würde als Premierminister in die Downing Street Nummer 10 einziehen. Die Umfragen waren eindeutig: Wegen der Rekordverschuldung, der hohen Arbeitslosigkeit und nicht zuletzt wegen der Unbeliebtheit des grantigen Premiers Gordon Brown lagen die Tories zeitweise 20 Prozent vor der regierenden Labour Party. Auf dem Parteitag im vergangenen Herbst verbot Cameron den Delegierten, sich mit Champagner ablichten zu lassen, weil er nicht überheblich erscheinen wollte.
Inzwischen ist der Vorsprung dahingeschmolzen. Er liegt nur noch bei zwei, fünf oder sieben Prozent - je nachdem, welcher Umfrage man glauben will. Auf keinen Fall aber ist er zweistellig, und das ist Grund zur Sorge für die Tories. Aufgrund des britischen Mehrheitswahlrechts, bei dem der Verlierer eines Wahlkreises leer ausgeht, gewinnt die Partei mit den meisten Stimmen nicht unbedingt auch die meisten Mandate. Bei einem Tories-Vorsprung von fünf Prozent, so schätzt der Politikprofessor John Curtice von der Universität Strathclyde, kämen diese auf 277 Sitze, aber Labour würde 294 Sitze erhalten. Das würde Gordon Brown zwar nicht zur absoluten Mehrheit reichen, aber er würde höchstwahrscheinlich Premierminister bleiben.
Was ist geschehen, dass die Tories so abgesackt sind? Sie haben einen Fehlstart in den Wahlkampf hingelegt. Neben kleineren Ungereimtheiten in ihrem Wahlprogramm haben sie sich vor allem bei der Frage blamiert, wie sie das Rekordhaushaltsdefizit bekämpfen wollen. Einerseits wollten sie seriös erscheinen und kündigten drakonische Maßnahmen an, andererseits wollten sie die Wähler nicht verschrecken und ruderten wieder zurück.
Und dann ist da noch Lord Michael Ashcroft. Der stellvertretende Tory-Vorsitzende, dessen Vermögen auf 1,1 Milliarden Pfund geschätzt wird, ist der größte Gönner der Partei. Der 63-Jährige hat im Laufe der letzten zehn Jahre mehr als fünf Millionen Pfund in die Parteikasse eingezahlt. Dieses Geld und weitere 175 Millionen aus Ashcrofts Vermögen gehören von Rechts wegen dem Staat, so findet eine Mehrheit der Briten. Bevor Ashcroft im Jahr 2000 nämlich in den Adelsstand erhoben wurde, hat er in einem Brief an den damaligen Tory-Chef William Hague "deutlich und unmissverständlich" erklärt, seinen ständigen Wohnsitz noch vor Jahresende von dem Steuerparadies Belize nach Großbritannien zu verlegen und dort Steuern zu zahlen. Das war die Voraussetzung für den Lordtitel.
Wurde er später gefragt, ob er sein Versprechen eingelöst habe, reagierte er unwirsch und verweigerte jede Stellungnahme. Erst als der Informationsausschuss des Parlaments Auskunft verlangte, räumte Ashcroft vorige Woche ein, dass er auf sein nichtbritisches Einkommen - und das ist der Löwenanteil - nach wie vor keine Steuern in Großbritannien zahle. Auch Cameron wusste vom Status des großzügigen Spenders offenbar nichts. Im Dezember besprach er mit Ashcroft eine Gesetzesinitiative, wonach Leute ohne ständigen Wohnsitz in Großbritannien aus dem Unter- und Oberhaus verbannt werden sollen, weil sie in einen Interessenkonflikt geraten könnten, wenn sie über Steuergesetze zu entscheiden hätten. Ashcroft rückte auch da nicht mit der Sprache heraus, dass er zu diesem Kreis gehört. Jetzt erklärte der düpierte Cameron, dass Ashcroft nach den Wahlen seinen Vizeparteivorsitz aufgeben werde.
Für Cameron ist die Sache besonders ärgerlich, gab er sich doch seit seinem Amtsantritt entschlossen, die britische Politik nach dem Spesenskandal des vergangenen Jahres zu säubern. Zu allem Überfluss hat er nun auch noch Unterstützung von der falschen Seite bekommen. Simbabwes Diktator Robert Mugabe sagte, er freue sich auf eine Tory-Regierung. "Blair und Brown laufen davon, wenn sie mich sehen", sagte er, "aber die Konservativen sind unerschrocken. Diese Dummköpfe wissen, wie man mit anderen umgeht."
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