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Parlamentsdebatte um LinksextremismusAbgeordnete heizen Brandstiftern ein

Innensenator Körting (SPD) fordert harte Strafen für Autoanzünder. Trotzdem kritisieren ihn CDU und FDP: Der Senat sei links blind. Grüner Fraktionschef sieht bei den Anschlägen "Kieztaliban" am Werk.

Ausgebrannter Sportwagen in Friedrichshain Bild: dpa

Er hat eine Glatze, eine Brille und einen Doktortitel in BWL. Vor allem aber ist der CDU-Innenpolitiker Robbin Juhnke der Mann, der ungewollt das Abgeordnetenhaus und die Brandanschläge der vergangenen Monate verbindet. Denn zwei der jüngst abgefackelten Autos standen vor seinem Wohnsitz im sonst beschaulichen Buckow in Neukölln. Politische Auseinandersetzungen rückten am Donnerstag einen Moment beiseite, als Parlamentspräsident Walter Momper Juhnke die Solidarität aller Abgeordneten zusagte. In der folgenden Aktuellen Stunde über Linksextremismus droschen die Fraktionen wieder aufeinander ein - aber bloß mit Worten.

Juhnke selbst, als innenpolitischer Hardliner einzuordnen, warf dem Senat in der Debatte "Blindheit auf dem linken Auge" vor. Die CDU-Fraktion hatte noch am Montag vergeblich gefordert, einen runden Tisch Linksextremismus einzurichten.

Vertreter der rot-roten Koalition wiesen die Vorwürfe zurück. Udo Wolf, Fraktionsvize der Linkspartei, kritisierte die geforderte Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus. "Sie begeben sich auf einen sehr gefährlichen Weg", hielt er der CDU vor.

Deren Fraktionschef Frank Henkel holte am weitesten gegen Linksextreme aus. Die würden entscheiden wollen, wer wo wie leben dürfe. "Das ist nichts anderes als eine faschistoide Lebensstil-Diktatur", sagte Henkel.

Gar nicht weit entfernt davon bewegte sich Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann. An einigen Orten der Stadt habe sich "ein kleiner harter Kern von Verwirrten zur Kiezpolizei ernannt, um seine Mitmenschen notfalls mit dem Brandsatz in der Faust zu drangsalieren", sagte Ratzmann. Für diese Gruppe verwandte er auch den Begriff "Kieztaliban". Es könne nicht sein, "dass selbst ernannte Wächterräte darüber bestimmen, wer mit welchem Wagen wo parken darf", so der Grüne. Das zu bestimmen sei Aufgabe gewählter und legitimierter Gremien.

Die Grünen-Fraktion war vergangene Woche vor der geplanten Besetzung des Flugfelds Tempelhof in die Kritik geraten. Ratzmanns Kofraktionschefin Franziska Eichstädt-Bohlig hatte eine friedliche "Zaunübersteigung" erst gutgeheißen. Als aber ein Bekennerschreiben zum Anschlag vor dem Haus von CDU-Politiker Juhnke auftauchte, machte die Fraktion einen Rückzieher: Man wolle für solche Gewalttaten nicht in Haftung genommen werden.

Der langjährige frühere FDP-Fraktionschef Martin Lindner, der im Herbst in den Bundestag wechselt, legte in seiner vielleicht letzten größeren Rede im Abgeordnetenhaus noch einen drauf. Er warf Senat und Polizei "Laxheit gegenüber kriminellem Pack" vor. Und forderte absolute Sicherheit ein: "Jeder muss sich überall aufhalten können." Das habe Innensenator Ehrhart Körting (SPD) zu garantieren.

Das könne der Staat nicht, erwiderte SPD-Fraktionsvize und Rechtsexperte Fritz Felgentreu. Er forderte von Lindner eine gewisse Eigenverantwortung ein. "Sie wissen genau, dass es Gegenden gibt, wo man zu gewissen Uhrzeiten nicht hingeht."

Körting selbst hielt den Vorwürfen angeblicher Blindheit und Laxheit Festnahmen wegen der Brandanschläge entgegen. Diese Attacken sind für ihn "von einer besonderer Heimtücke". Darum erhoffte er sich von den Gerichten dafür mehrjährige Haftstrafen ohne Bewährung: "Das ist von besonderer Bedeutung, weil es auch ein Signal an die Gesellschaft ist."

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15 Kommentare

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  • G
    grafinger

    Sagt mal, "navajo joe", "vic", "Bäääärrrrk!!!" und "Zensiert", Eurer Überzeugung nach ist es also gerechtfertigt, sich mit Gewalt gegen negative wirtschaftliche und soziale Folgen durch Zuzug Dritter zu wehren.

    Na, da habt Ihr den Brauen ja ein tolles Argument für deren "befreite Zonen" und die Migrantenhetze geliefert.

    Der eine zündet ein Auto eines "Bonzen" an weil er billige Mieten will und der andere eine Dönerbude weil er um seinen sozialen Status besorgt ist.

    Und wo ist nun der Unterschied?

  • RG
    Richard Gutschild

    Zunächst einmal ist festzustellen, dass jeder Politiker und jede Partei, die sich überhaupt an dieser Diskussion beteiligt haben, anscheinend versuchen die Berliner für völlig bescheuert zu verkaufen. Angesichts der Probleme der Stadt ist es wirklich aufgebauscht und lächerlich, wenn über einige abgebrannte Autos in dieser Form aufgeregt wird. Es spricht schon Bände, dass 160 abgebrannte Autos zu einer Sonderstunde im Senat führen, während 40.000 Obdachlose in Berlin kein Thema sind. In Frankreich werden in jeder Stadt mit 300.000 Einwohner jährlich mehr Autos angezündet und Frankreich existiert immer noch...

    Volker Ratzmann sollte mal in Behandlung gehen, bevor er noch weiter so einen reaktionären Blödsinn daher redet.

    So lange der Senat nichts für bezahlbare Mieten in der Stadt tut, und voll auf Seiten der Reichen und Spekulanten steht, wird mehr als nur ein kleiner Teil der Berliner Bevölkerung der keine Senatsgehälter bezieht, sich weiterhin klammheimlich und offen über die abgebrannten Nobelautos freuen. Ich bin jedenfalls auch froh, dass diverse "Loftumbauten" und "Nobelmodernisierungen" in meiner Nachbarschaft nicht erfolgen, weil es keine Interessenten für die Wohnungen gibt. Das Carloft in Kreuzberg ist Beispiel genug. Niemand will die Wohnungen kaufen aufgrund der Angriffe und das ist auch gut so.

  • S
    schlegel

    Einen Querschnitt der unsäglich selbstgerechten und wirren Argumente der Täter kann man ja den Kommentaren zum Artikel entnehmen.

  • K
    krassmann

    Keine Frage ist das abfackeln von Autos kriminell und es sollte mit guter Polizeiarbeit ermittelt werden. Aber wenn sich die politische "Mitte" mehr über Schäden an Konsumütern aufregt als Uber Personenschädendurch, dann stimmt da die Verhältnismässigkeit nicht. Ich wünschte mir es würde entsprechend ähnlich entsetzt zur Jagdt auf braune Schläger geblasen werden. Ich wünschte mir es würde nach hartem Durchgreifen gegen kriminelle Gross-Umweltsünder, die unser aller Gesundheit gefährden, gerufen werden. Liebe Politiker, kommt mal klar; wie können denn Autos wichtiger sein als körperliche Unversehrtheit?

  • A
    andrej

    Anspruch:

    GG Art. 1, Abs. 3:

    Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

    Artikel 11

    (1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.

    Wirklichkei Berlint:

    "Das könne der Staat nicht, erwiderte SPD-Fraktionsvize und Rechtsexperte Fritz Felgentreu. Er forderte von Lindner eine gewisse Eigenverantwortung ein. "Sie wissen genau, dass es Gegenden gibt, wo man zu gewissen Uhrzeiten nicht hingeht.""

    Kommentar:

    Aha, wo die Politik versagt, ist der Bürger selber schuld. Bleibt nur die Frage, wofür man den Staat überhaupt braucht, wenn er selbst erklärt, nicht mal den primitivsten Ansprüchen an einen Nachtwächterstaat genügen zu können, noch nicht mal können zu wollen. Armselig!

  • KS
    kleiner Spinner

    "Kieztaliban" - da kehrt die Unterscheidung in 'Fundis' und 'Realos' als Farce zurück.

  • Z
    Zensiert

    "Die würden entscheiden wollen, wer wo wie leben dürfe."

     

    Na da ist es ja gut, dass sich jeder Mensch jede Wohnung in jedem Stadtteil leisten kann. Böse LinksextremistInnen, dass die sich nicht ausgrenzen lassen wollen...

     

    Es lebe der Kapital-Extremismus

  • D
    DerLachmann

    "Es könne nicht sein, "dass selbst ernannte Wächterräte darüber bestimmen, wer mit welchem Wagen wo parken darf", so der Grüne. Das zu bestimmen sei Aufgabe gewählter und legitimierter Gremien."

     

    HAHAHAHAHAHAHAHAHAAAAAAAAAAAAAAAAAA

    HAHA HA HA...

    HAHAHAHAAAAHAA...

     

    Großartig! Wozu Komödien und Dramen wenn man Politik hat?

  • M
    mittelsmann

    Wieder einmal zeigt sich, dass der linkslastige Senat die Gewalttäter aus den eigenen Reihen schützt um die Probleme dann auf "die anderen" zu schieben. Dieses Lied hört man bei den Sozialisten immer und immer wieder. Schuld sind ja die anderen! Die böse böse freie Geselschaft. Oh Gott und das auch noch mit freier Meinungsäußerung. Das geht nun wirklich nicht. Wir brauchen wieder die STASI wie unlängst aus den Reihen der Partei "Die Linke" zu hören war.

    Vielleicht wird es mal Zeit, dass die Mitte der Geselschaft mal wieder das Heft in die Hand nimmt und die linksextreme Gewalt mit aller Härte des Gesetzes bekämpft. Das bedeutet auch, dass mal wieder Höchststrafen vergeben werden und den Nachahmern den Wind aus den Segeln zu nehmen!!!!

  • B
    Bäääärrrrk!!!

    Wenn Menschen ohne Frage gesetzwidrig schwere Sachbeschädigung verursachen, unabhängig aus welcher Gesinnung heraus, ist dies generell nicht hinzunehmen. Aber das sich die vom Bürger gewählten Vertreter im Senat, egal ob Regierung oder Opposition, dazu hinreißen lassen sich gegenseitig zu diffamieren, anstatt Ursachenforschung zu betreiben und in demokratisch konstruktiver Manier nach Lösungen zu suchen, beweist wieder einmal wie unfähig unsere Volksvertreter jeglicher Couleur doch wirklich sind.

    Da ist die Rede von "ein kleiner harter Kern von Verwirrten“, „von besonderer Heimtücke“, von „kriminellem Pack“ alles wegen schwerer Sachbeschädigung!

    Zur Zeit stehen gewisse Leute vorneweg ein CDU-Mann vor Gericht, diesem Personenkreis hat das Land Berlin einen über Jahrhunderte nicht ab zutragenden Schuldenberg in Milliardenhöhe zu verdanken, derweil dieselben mit definitiv nicht leistungsbezogenen Pensionen und Betriebsrenten in Saus und Braus leben. Wo sind da die Forderungen nach Verzicht auf Bewährungsstrafen? Geht ein Auto in Flammen auf ist der Jubel groß, wird ein ganzes Staatswesen auf Landesebene in die Verschuldung getrieben, hört man nichts von kriminellem Pack, welch primitive Verhältnismäßigkeit herrscht bloß in den Hirnen dieser Parteibuch-Karrieristen?

  • V
    vic

    "Kieztaliban" (Grünen O-Ton).

    "Kriminelles Pack" (FDP O-Ton).

    Hier macht sich eine parlamentarische Rechtsfront zum Kampf bereit.

    Politische Extremisten sind die Gefährlichsten.

  • V
    V.A.

    "auf dem linken Auge blind"

     

    Ha

     

    Ha

     

    Ha

  • NJ
    navajo joe

    nachtrag: leute, die sich taliban nennen, sind mir sowieso unsympathisch und ich wähle auch nicht die bibeltreuen christen.

  • NJ
    navajo joe

    Und wer tut endlich mal was effektives gegen den Umweltzerstörungs- speziell Klimazerstörungs-Extremismus? Dieser Extremismus stürzt schon seit Jahren immer mehr Menschen in größere Armut (vgl. stärkere Hurricanes in der Karibik, allein letztes Jahr vgl. die Schäden auf Haiti etc.) und raubt ihnen sogar das Leben, macht sie auch in Zukunft zu Abertausenden zu Flüchtlingen, vgl. jüngst dazu eine Studie von OXFAM zu den Folgen des Klimawandels.

     

    Ist es Dummheit oder Menschenverachtung bzw. Rassismus, dass manche Leute, mit oder ohne Doktortitel in BWL, diesen Extremismus nicht nur tolerieren, sondern sogar aktiv unterstützen? [eine völlig ernst gemeinte Frage übrigens. Ich weiß es wirklich nicht]

     

    p.s. ich habe noch kein auto von klimazerstörungsextremisten angezündet!

  • N
    Ndege

    Ich stimme der CDU-Fraktion hier zu - was selten vorkommt - und hoffe, dass man entschlossen gegen diese Extremisten vorgeht.