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Parlament in AfghanistanFrauenrechten droht Rückschlag

Das afghanische Parlament stimmt über ein Gesetz zur Verhinderung von Gewalt an Frauen ab. Die Debatte droht zum Desaster zu werden.

Das existierenden Gesetz stellt 20 Formen von Gewalt gegen Frauen unter Strafe. Bild: ap

BERLIN taz | Am Samstag wird das afghanische Parlament das Gesetz zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen debattieren. Was sich wie eine normale demokratische Prozedur anhört, könnte allerdings zum Desaster geraten: Viele Frauenrechtsaktivisten in Afghanistan befürchten, dass das mehrheitlich konservativ eingestellte Unterhaus das bereits seit über drei Jahren gültige Gesetz aushebeln könnte.

Damit würden „wichtige Fortschritte zerstört“ werden, die seit dem Sturz des Taliban-Regimes 2001 bei den Frauenrechten erreicht wurden, so die Abgeordnete Schinkai Karochel.

Das existierenden Gesetz stellt zwanzig Formen von Gewalt gegen Frauen unter Strafe, darunter Zwangs- und Kinderheiraten sowie Vergewaltigung. Da diese Delikte aber in Teilen der konservativen afghanische Gesellschaft nicht als solche betrachtet werden, hatten Frauenrechtlerinnen erfolgreich dafür plädiert, das Gesetze per Präsidialdekret in Kraft zu setzen. Das geschah 2009.

Die Initiative, das Gesetz doch noch ins Parlament zu bringen, geht von der Abgeordneten Fauzia Kufi aus. Sie hat sich bereits frühzeitig zur Kandidatin für die Präsidentenwahl im April 2014 erklärt und profiliert sich auf Auslandsreisen als Frauenrechtlerin. Sie will offenbar damit punkten, das Gesetz durch das Parlament gebracht zu haben.

Eine große Gruppe von Frauenrechtsaktivisten, darunter 15 weibliche Abgeordnete, versuchte noch kurz vor Ultimo, die Abstimmung zu verhindern. Präsident Hamid Karsai, in Frauenrechtsfragen eher ambivalent eingestellt, sagte ihnen, er werde sich das Gesetz nach der Abstimmung noch einmal „ansehen“. Er kann ein Veto einlegen, aber das letzte Wort hat dann noch mal das Parlament.

Kern des Gesetzes retten

Kufi, gleichzeitig Vorsitzende des Menschen- und Frauenrechtsausschusses im afghanischen Unterhaus, weigerte sich trotzdem, das Gesetz von der Agenda zu nehmen. Sie gibt sich zuversichtlich, verhindern zu können, dass die Debatte aus dem Ruder läuft.

Zurzeit versuchen die Gegner der Debatte, die Abgeordneten – vor allem die 68 weiblichen – zu überzeugen, wenigstens die Kernparagrafen des Gesetzes unangetastet zu lassen. Donnerstagnachmittag wollten die Aktivisten in Kabul auch mit einer Warnung an die Presse gehen.

Nargis Nehan von Equality for Peace and Democracy sagte der taz, die Gruppe werde Kufi „persönlich verantwortlich machen“, wenn es Änderungen zum Schlechten gibt. „Die hart erkämpfte Kriminalisierung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen darf auf keinen Fall infrage gestellt werden“, meint auch Monika Hauser, Gründerin der Frauenrechtsorganisation Medica Mondiale, die gerade aus Kabul zurückkam. Die Befürchtungen sind nicht aus der Luft gegriffen.

Seit Beginn der Aktivitäten Kufis liegen verschiedene Änderungsvorschläge vor, die den Zugang von Frauen zu Beschäftigung von der Zustimmung des Mannes abhängig machen, häusliche Gewalt tolerieren sowie Frauenhäuser als „unislamisch“ gleich ganz abschaffen würden. Heather Barr, Human-Rights-Watch-Vertreterin in Kabul, nannte Kufis Initiative schlicht „Wahnsinn“.

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9 Kommentare

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  • MM
    meine Meinung

    16.05.2013 23:18 UHR

    von ada:

    wie kann die taz es wagen, die wunderbare Kultur afghanistans und des islams zu verunglimpfen. andere länder andere sitten. wenn frauen dort und im islam so behandelt werden, dann ist das gut so und hat vom westen toleriert zu werden.

     

    Gar nichts hat vom Westen toleriert zu werden, wenn es darum geht, das eure Frauen verdroschen werden, weil es dem "Herrn Gemahl" angeblich zustünde. Sie leben hier in Deutschland und da gibt es Gesetze die SIE nicht nur zu tolerieren sondern zu achten haben und dieses Gesetz heißt NICHT man darf seine Frau schlagen.

     

    Wenn die Frau für euch das Unterste ist, wenn ihr glaubt daraus euch das Recht nehmen zu dürfen auf sie einschlagen, sage ich sind für mich die Männer das Unterste WEIL sie ihre Frauen schlagen. Frauen sind keines Anderen Eigentum, sie gehören nur sich selbst.

    Ihr könnt euch glücklich schätzen das es Frauen gibt, wundervolle Geschöpfe die keineswegs unter dem Mann stehen.

  • SG
    Schmidt Georg
  • SG
    Schmidt Georg

    liebe Lisa, wo haben Sie denn das her, in Indonesien immerhin c 230.000.000 Moslems haben Frauen durchaus das Sagen, meine Frau ist selber Moslem und lässt sich nicht die Butter vom Brot nehmen, Moslems sind gerade so vielfältig wie Christen, nicht vergessen, die alten Gusstaaten der ehe UdSSR waren/sind ebenfalls Moslemstaaten, gehen Sie da mal hin.Ihre Aussage liebe Lisa, ist nicht gerade präziese und zeugt von gravierende Vorurteilen

  • GI
    Gesetze in Deutschland gilt für ALLE

    an ada:

    Wie die taz es wage kann sich zu dem Thema zu äußern. Mit dem Recht der Meinungsfreiheit, so einfach ist das.

     

    Hoffentlich gibt es die eine oder andere Frau die erkennt, das sie nicht das Freiwild für Prügel ihres Mannes ist.

     

    Und Gott sei Dank dafür, ist das bei uns eine Straftat seine Frau zu schlagen, egal woher man kommt, hier ist Deutschland. Schon gemerkt ???

     

    Krieg ich meinen heiligen Zorn, in Deutschland leben, und weil im Herkunftsland die Prügelstrafe an der Ehefrau legal ist wofür auch immer beibehalten ?????

     

    Wir leben hier in Jahr 2013, die Zeiten wo man seine Frau schlagen konnte, weil sie den "Herren" damals auch so wertlos erschienen, oder weil sie glaubten mehr wert zu sein als Frauen ist lange, lange vorbei.

     

    Dazu gibt es Gesetze in Deutschland Schutz vor häuslicher Gewalt, das gilt für alle die hier leben, egal woher sie kommen.

     

    Rechte für Frauen Schutz vor prügelnden Männern ist vollkommen richtig bei uns. Also nicht die taz angreifen.

  • LP
    Lisa P.

    Der Artikel weist für mich nichts neues auf.

    Ich habe mich in der Folge einer Sinneskriese mit allen großen Religionen befasst und ich muss sagen, dass der Islam Frauen als dem Mann weit untergestellt ansieht.

  • M
    Meier3

    War Bushs "Krieg für die Rechte der Frauen" etwa doch umsonst?

  • A
    ada

    wie kann die taz es wagen, die wunderbare Kultur afghanistans und des islams zu verunglimpfen. andere länder andere sitten. wenn frauen dort und im islam so behandelt werden, dann ist das gut so und hat vom westen toleriert zu werden

  • D
    D.J.

    Es ist ganz einfach: Ohne eine Säkularisierung wird es auch keine dauerhafte Durchsetzung von Frauen/Mädchenrechten geben. Der Koran erlaubt das Schlagen von Frauen bei Ungehorsam, die Sunna die vollzogene Ehe mit Mädchen ab der einsetzenden Pubertät. Was eigentlich ist daran so falsch zu verstehen? Und glaubt mir, die islamischen Geistlichen erklären den Männern in Afghanistan sehr gut deren Rechte.

  • DH
    D. Hoffmann

    Daniel Bax schrieb am 13.5.2013 in seinem TAZ-Kommentar: "Man darf hierzulande auch als Muslim konservativ sein". Thomas Ruttig schreibt in seinem heutigen Artikel, dass Zwangs- und Kinderheiraten sowie Vergewaltigung in Teilen der "konservativen" afghanischen Gesellschaft nicht als Delikte betrachtet werden. Verstehen Daniel Bax und Thomas Ruttig unter "konservativ" das Gleiche? Wenn ja, finde ich den Kommentar von Daniel Bax vom 13.5.2013 erschreckend. Wenn nein, wäre es gut, wenn die TAZ-Autoren das Differenzierungspotenzial der Sprache nutzen würden, um größere Klarheit zu erreichen.