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Parlament erkennt Ureinwohner anDie neuen alten „ersten Australier“

Das Parlament hat beschlossen, Aborigines und andere Ureinwohner als „erste Australier“ anzuerkennen. Dieser Status soll Teil der Verfassung werden.

Gerechtigkeit nach Jahrzehnten: die „ersten Einwohner“ Australiens verfolgen die offizielle Entschuldigung des Landes vor fünf Jahren. Bild: reuters

CANBERRA taz | Das Unterhaus des australischen Parlaments hat am Mittwoch einstimmig einem Gesetzesvorschlag zugestimmt, der Aborigines und die Bewohner der Torres-Meeresstraße als „erste Australier“ anerkennt. Damit ist der Weg frei für ein Referendum, mit der die besondere Position der heute rund 470.000 Ureinwohner auch in der Verfassung festgehalten wird.

Im Unterhaus herrschte seltener Konsens zwischen der sozialdemokratischen Regierung von Premierministerin Julia Gillard und der konservativen Opposition unter Tony Abbott. Beide Parteien, unterstützt von den Grünen und einer Handvoll Unabhängiger, stimmten der Vorlage zu. Auch im Oberhaus, dem Senat, wird keine Opposition erwartet. Aboriginal-Vertreter wie Patrick Dodson zeigten sich erfreut über den Schritt. Australien habe „einen Hügel überwunden“, meinte er. Der Berg stehe aber noch bevor.

Zum historischen Entscheid kam es genau fünf Jahre nachdem sich Gillards Vorgänger Kevin Rudd im Namen der Nation für vergangenes Unrecht an den Ureinwohnern entschuldigt hatte. Alle Seiten der Politik müssen sich nun auf einen Text einigen, mit dem der Status der Aborigines als erste Bewohner des Kontinents in der Verfassung verankert werden kann.

Das könnte sich als schwieriges Unterfangen erweisen. Vor allem in konservativen Kreisen – auch in Teilen der Oppositionskoalition – gibt es Widerstand gegen eine vermeintlich „Bevorzugung“ von Aborigines gegenüber anderen Volksgruppen.

Auch über 200 Jahre nach der Invasion Australiens durch britische Sträflinge und ihre Bewacher im Jahr 1788 gehören Ureinwohner zu den am stärksten benachteiligten Bevölkerungsgruppen Australiens. Eine hohe Kindersterblichkeit, Krankheiten, Arbeitslosigkeit, sexueller Missbrauch von Kindern, Jugendsuizid und Alkoholmissbrauch sind in isolierten Aboriginal-Gemeinden zum Teil endemisch.

Über Jahrzehnte litten die Ureinwohner unter institutionalisiertem Rassismus. Erst 1967 erhielten sie das Stimm- und Wahlrecht und wurden damit als gleichwertige Bürger anerkannt. Obwohl der Kontinent mindestens schon vor 40.000 Jahren besiedelt worden war, galt bis 1992 noch das juristische Prinzip, Australien sei vor der Ankunft der Briten ein „Niemandsland“ gewesen.

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7 Kommentare

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  • LP
    Leonard Peltier

    Damit wird nur die Besatzung weiter "legalisiert", was an sich ja auch der Sinn des rassistischen Begriffs "Ureinwohner" ist. Heisst das Land Australien, dann sind nur die 400.000 Australier und solange der Rest von ihnen kein Visum bekommt, sollen sie sich zurück nach Europa verpfeifen.

  • M
    Marco

    Heißt das, man darf in Zukunft nicht mehr Aborignies/Aboriginals sagen, sondern nur noch First Australians/Erstaustralier?

  • HW
    Herr wirft Hirn

    @R.J.:

    Verfehlt. Ich meine: Thema verfehlt.

  • A
    arribert

    Ein Niemandsland ... Da hat ja nur der Buschmann gewohnt. Das ist mal Zynismus. Dazu passt, dass man sich in Deutschland die passenden Ausstellungsstücke in Down Under bestellen konnte. Da wohnen ja keine Menschen, die Viecher kann man ja ausstopfen oder in den Zoo setzen, ist ja Niemandsland.

  • N
    noevil

    Wenn konservative Kreise von einer Bevorzugung der "ersten Australier" sprechen halte ich das für ziemlich dreist. Wie wäre es denn, wenn diese die Positionen mit den australischen Ureinwohnern für einige Jahre tauschen würden - natürlich unter den bekannten Voraussetzungen und mit all den sozialen Folgen für sich und ihre Familien? Unvorstellbar - nicht wahr!

     

    Ich bin ja schon gespannt, wann in Literatur und Sprachgebrauch die ersten Korrekturen des Begriffes "Aborigines" vorgenommen werden, damit alles wie nie dagewesen verschwindet, was irgendwie auf einen peinlichen Fleck auf rassismusfreien weißen Westen hindeuten könnten. Damit würden wir die lange verspottete amerikanische Political Correctness noch perfektionieren, um weiterhin Vorreiter spielen zu können auf einem Feld auf dem uns Weissen allenfalls ein roter Kopf zustünde.

  • A
    andreas

    Mann stelle sich vor in unsere Verfassung käme "die Germanen waren die ersten Deutschen"...das gäbe einen Aufschrei vor allem von der TAZ.

    Aborigines gehören zur Gattung Mensch wei jene die ein paar Jahrtausende später dazu kamen.

    Niemand hat das Recht Land für sich zu beanspruchen weil er der "Erste" war.

    Das wiederspricht jeder wirklich jedem linken Menschenbild.

  • R
    R.J

    Man wird es finanziell sicher verkraften, dort unten auf der Welthalbkugel.

     

    Von solchen Handlungen ist der Staat des Zionismus im Nahen Osten nicht nur meilenweit entfernt – es gibt dafür noch viel zu viele Palästinenser.- man ist auch ständig dabei, sich selbst dort zu den Aborigines zu erklären.

     

    Das war in Südafrika früher nicht viel anders.