Parlament diskutiert Flüchtlingsprotest: Heiße Debatte über kaltes Auftreten
Opposition wirft dem Senat "Schikane" gegen protestierende Flüchtlinge vor. Die Koalition sieht darin nur Feindbild-Pflege.
Opposition und Regierungsfraktionen lieferten sich am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses eine hitzige Debatte über den Umgang mit den Flüchtlingen am Brandenburger Tor. Die Polizei hatte den Protestierenden trotz frostiger Temperaturen Schlafsäcke und Sitzunterlagen weggenommen.
Grüne, Linkspartei und Piraten sprachen von Hartherzigkeit und Eiseskälte gegenüber den Flüchtlingen. Die Polizei hätte durchaus Ermessensspielraum gehabt, menschenwürdigen Protest zu ermöglichen. Neun Tage lang waren rund 20 Flüchtlinge am Pariser Platz im Hungerstreik gewesen. Dieser wurde am Donnerstagabend nach einem Gespräch mit Staatsministerin Maria Böhmer (CDU) und Berlins Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) beendet. Tags darauf hatte das Verwaltungsgericht entschieden, die Beschlagnahmung von Sitzunterlagen durch die Polizei sei rechtswidrig gewesen.
Henkel trage die politische Verantwortung, so Pirat Oliver Höfinghoff. Er sprach von einer neuntägigen Schikane. Hakan Tas (Linkspartei) bezeichnete den Umgang der Behörden mit den Flüchtlingen als „unmenschlich und verantwortungslos“. Deren Gesundheit sei aufs Spiel gesetzt worden. Wiederholt hatten Flüchtlinge von Polizeiübergriffen berichtet, einer Frau soll der Arm gebrochen worden sein.
Canan Bayram (Grüne) wollte wissen, ob auf dem Pariser Platz ZivilbeamtInnen eingesetzt worden seien. Ihr sei berichtet worden, agents provocateurs hätten versucht, aus der Gruppe der DemonstrantInnen heraus Tumulte mit der Polizei anzuzetteln. Der Pirat Christopher Lauer erhofft sich von der Auswertung des Videomaterials von Beteiligten und Betroffenen Aufklärung. Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers bestätigte, dass es zwei Anzeigen gegen PolizistInnen am Pariser Platz gab.
Staatssekretär Bernd Krömer (CDU), der den abwesenden Innensenator vertrat, verteidigte den Polizeieinsatz als „angemessen und rechtsstaatlich“. Der innenpolitische Sprecher der CDU, Robbin Juhnke, warf der Opposition vor, ihr Feindbild Polizei zu pflegen.
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