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Pariser Romantikder anderen Art

Dank Fußballtrainer Luis Enrique steht bei Paris Saint-Germain der Teamgedanke über allem. Nach dem Abschied der Superstars kann das von Katar finanzierte Team erstmals das Triple gewinnen

Modernstes Training: Trainer Luis Enrique dirigiert, Teampsycho­loge Joaquín Valdes hat die Reaktionen der Profis im Blick Foto: Fo­to:­ Gonzalo Fuentes/reuters

Von Florian Haupt

Als im November der letzte Stein auf dem neuen Vereinscampus gelegt war, hielt Nasser al-Khelaifi so etwas wie eine Regierungserklärung der neuen Zeit. Der katarische Präsident von Paris Saint-Germain definierte seinen Klub der unbegrenzten Transferfonds quasi mit einem Schlag zum Ausbildungsklub um. Frankreichs beste Fußballer kämen zu einem großen Teil aus der Region Paris, dort stehe mit dem neuen PSG-Campus in Poissy nun auch das beste Ausbildungszentrum, und das solle die Zukunft sein: „Wir wollen eine Mannschaft, die aus Paris kommt.“

Think global, buy local? Fürs Erste müssen sich Liebhaber der Opulenz noch keine Sorgen über eine neue Austeritätspolitik machen. Wenn der Klub, der einst mit den Einkäufen von Neymar (222 Millionen Euro Ablöse) und Kylian Mbappé (180 Mio.) alle Transferweltrekorde sprengte, nun im nationalen Cupfinale gegen Reims und dem Cham­pions-League-Endspiel gegen Inter Mailand um das erste Tripel der Klubgeschichte spielt, wurde dafür kein Gürtel enger geschnallt. Kein Profi der zu erwartenden Anfangself wurde selbst ausgebildet, gekostet hat die glorreiche XI insgesamt rund 480 Millionen Euro an Ablösen. Und das, obwohl der vielleicht Wichtigste, Torwart Gianluigi Donnarumma, gebührenfrei kam.

Und dennoch: Wenn jetzt allseits von einem neuen PSG gesprochen wird, dann sind das keine leeren Beschwichtigungsfloskeln für die Finanzaufsichten. Denn geändert hat sich das Profil der Spieler, für die das Geld zu Markte getragen wird. Paris beschäftigt einen unverschämt jungen Kader, Durchschnittsalter 23,7 (zum Vergleich, Inter: 29,5). Es sind Spieler wie die Portugiesen Vitinha und João Neves im Mittelfeld oder die Flügelstürmer Khvicha Kvaratskhelia, Désiré Doué und Bradley Barcola. „Profis von hohem Kaliber, die aber mit einer kollektiven Mentalität spielen“, wie Trainer Luis Enrique sagt. Alle, sogar der notorische Luftikus Ousmane Dembélé, ordnen sich dem Teamgedanken unter. Dem PSG verleiht das einen Hauch des Aufregenden. Vor der Folie der jüngeren Klubgeschichte kann man es eine Kulturrevolution nennen.

Seit Katars Einstieg beim Lieblingsklub des damaligen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy war die Linie klar gewesen: Glamour und mehr Glamour. Eine Erneuerung des PSG-Wappens stand ­allegorisch dafür, das schillernde Paris wurde groß hervorgehoben, das vermeintlich provinzielle Saint-Germain rückte klein nach unten. Noch symbolkräftiger waren die Transfers: Beckham, Ibrahimović, Di María, Cavani. 2017 schließlich: Neymar und Mbappé. 2021 sogar: Lionel Messi. All das pushte wie gewünscht die Marke, der Klubwert beträgt heute rund 4 Milliarden Euro und übersteigt damit noch die üppigen Investitio­nen. Doch sportlich blieb der ganz große Knall aus. Nur einmal, 2020, schaffte es die Pariser Edelcombo ins Cham­pions-League-Finale, sie verlor in einem leeren Pandemie-Stadion gegen den FC Bayern.

Der Star, den der PSG wirklich brauchte, heißt Luis Enrique Martínez und ist Trainer. Vielleicht der Einzige seiner Gilde, der keine Angst vor gar nichts hat und gegen niemanden klein beigibt. Der als spanischer Nationalcoach sogar Kader ohne Profis von Real Madrid nominierte. Nur gegen Messi verlor Luis Enrique als Coach des FC Barcelona mal einen Machtkampf, trotzdem gewann man zusammen die Champions League. Im Sommer 2023 hatte Messi den PSG bei Luis Enriques Jobübernahme gerade verlassen: gut so für alle Beteiligten. Als Neymar kurz danach nach Saudi-Arabien ging, packte ihm Luis Enrique gern den Koffer. Als Mbappé eine Vertragsverlängerung verweigerte und seinen Wechsel zu Real Madrid einfädelte, gab es überall Riesenaufregung. Für Luis Enrique war es ideal gelaufen.

Vielleicht ist Luis Enrique der Einzige seiner Gilde, der keine Angst vor gar nichts hat

„Ohne Mbappé werden wir besser sein“, erklärte er schon letzte Saison und zu Beginn dieser Spielzeit noch mal. Eine steile These, im Herbst wäre Paris beinahe aus der Champions League geflogen, weil niemand die vielen Torchancen verwandelte. Doch das Revirement, Dembélé auf die Position der falschen Neun zu ziehen, löste die Blockade, seither purzelten die Tore auch international.

Khelaifi hatte den Wandel 2022 angekündigt, als er ein „Ende von Bling-Bling“ in Aussicht stellte und die Kaderhoheit dem findigen Portugiesen Luis Campos übertrug. Luis Enrique exekutierte ihn auf dem Platz. Die Teamidee hat über das Starprinzip triumphiert: Ginge es nicht um den PSG, man könnte es glatt romantisch finden.

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