Parasiten: Blutsauger mögen die Großstadt

Nicht nur im Wald, auch in der Stadt finden Zecken potenzielle Wirte wie Mäuse und Menschen.

Zecke. Bild: DPA

Insbesondere Jäger, Waldarbeiter und Waldbesucher riskieren einen Zeckenbiss – so jedenfalls lautet die landläufige Meinung. Doch was viele unterschätzen: Auch in der Stadt ist der Mensch nicht vor Zeckenbissen gefeit. Die Blutsauger lauerten ebenso in Parks und Hinterhöfen, sagen die Parasitologen Dania Richter von der Technischen Universität Braunschweig und Franz-Rainer Matuschka von der Universität Potsdam. Insbesondere in „grünen“ Großstädten wie Berlin gebe es immer mehr geeignete Lebensräume für Zecken und ihre Wirtstiere, was auch der Mensch sein kann: „Die Zersiedlung hat zugenommen“, erklärt Matuschka. „Und unsere Stadtgärten werden anders gepflegt als früher, sie sind naturnaher, und das birgt bei aller Schönheit erhöhte Risiken.“

Dass Zecken auch in Stadtgebieten vorkommen, ist nicht neu. „Wir haben Mitte der 90er Jahre schon Untersuchungen in Magdeburg gemacht“, sagt Richter. Auch damals habe man schon Zecken im urbanen Raum gefunden. Konkret mit Messdaten belegen ließe sich ein Anstieg der Zeckenpopulation zwar nicht. Dennoch sei Aufklärung wichtig, so Richter. „Die Menschen sollten nicht ahnungslos mit dem Thema umgehen.“

Denn auch die Großstadtzecke kann, genauso wie ihre Verwandte auf der Kuhweide, krank machen – wenn sie die für den Menschen gefährlichen Erreger der Lyme-Borreliose oder der Hirnerkrankung FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) in sich trägt. Erstere Krankheit beginnt meist mit grippeähnlichen Symptomen. Später können die Bakterien auch Muskeln, Nerven und Sinnesorgane befallen und schädigen. Das Tückische: Mitunter verschwinden die Symptome über Monate oder Jahre, ohne dass die Erreger aus dem Körper verschwunden wären. Auch die FSME beginnt oft wie eine Grippe – und kann bei einer Hirnhautentzündung enden.

„Wir bieten den Zecken in den Städten nicht nur geeignete Lebensräume“, sagt Richter. „Sondern auch die passenden Wirtstiere.“ Mäuse, Ratten, Vögel, Füchse und Igel sind bei der Zecke äußerst beliebt – und Katzen. Gerade wenn Katzen im Haus gehalten werden, könne von ihnen „eine erhebliche Gefahr“ ausgehen, sagt Matuschka. Sie hätten engen Kontakt zu Menschen und schliefen oft sogar bei diesen im Bett. „Besonders gefährlich ist, dass von den Katzen abgeputzte Zecken den Menschen innerhalb weniger Stunden mit Borrelien-Erregern infizieren können, während das normalerweise ein bis zwei Tage dauert.“

Der Grund: Die Borrelien in der Zecke müssen sich erst aktivieren. „Das passiert, wenn Blut den Mitteldarm der Zecke erreicht“, erklärt Richter. Dann könnten die Borrelien über den Speichel der Zecke in den Menschen gelangen. Das dauere mindestens einen Tag. Wenn aber eine Katze eine bereits aktivierte Zecke abputzt, dann kann diese ihren potenziellen nächsten Wirt – den Menschen – sofort mit Borrelien infizieren. „Anders als nach einem Spaziergang bleibt dann kaum Zeit, die Parasiten rechtzeitig zu entfernen“, sagt Matuschka.

Sieben verschiedene Borrelienarten gibt es in Deutschland, fünf davon machen laut Richter den Menschen krank. Ob eine Zecke mit einer krank machenden Art infiziert ist, hänge davon ab, ob das vorher befallene Wirtstier den Erreger unterstützt oder nicht. Zum Beispiel sei auf Weiden das Risiko, sich mit Lyme-Borreliose zu infizieren, geringer, weil Wiederkäuer den Erreger nicht unterstützen. Mitunter kann die Gefahr, sich in der Stadt anzustecken, also sogar höher sein als auf dem Land.

Grundsätzlich könnten Menschen sich aber in allen Teilen Deutschlands Borrelien einfangen, so Judith Petschelt vom Robert-Koch-Institut (RKI). Nur im Süden Deutschlands bestehe allerdings die Gefahr, an FSME-Viren zu erkranken – gegen die es allerdings einen Impfstoff gibt. Gegen Borreliose auslösende Bakterien gibt es dagegen keine Immunisierung. Hier hilft nur die klassische Fahndung mit der Lupe: Insbesondere in den Achselhöhlen, Ellenbeugen, den Kniekehlen und im Genitalbereich sauge die Zecke sich gern fest, sagt Richter. „Sie mag’s nicht trocken.“

Wer im Frühjahr also ein Tütchen „Wilde Blumenwiese“ aussät , sollte besser auch gleich in eine Pinzette investieren.

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