Papstbesuch in Deutschland: Mit Hochdruck zum Gebet
Nur für ein gute Stunde kommt der Papst ins thüringische Eichsfeld. Die Menschen in der katholischen Enklave fühlen sich geehrt - und manchmal an DDR-Zeiten erinnert.
STEINABCH taz | Das Knattern des Rotorblätter des Polizeihubschraubers mag so gar nicht in diese Idylle passen. In dem kleinen Tal im Thüringer Eichsfeld, wo auf den Feldern im Frühling der Raps blüht und die Kühe gemächlich das Gras von den Weiden fressen, hört man eher die Grillen zirpen, ab und zu vielleicht ein Auto.
Nun also die Hubschrauber, die in regelmäßigen Abständen am blauen Himmel im Norden Thüringens auftauchen. Erste Vorboten des Papstes, der in wenigen Tagen hier ankommen wird. Direkt aus dem Himmel sozusagen, in genau so einem Hubschrauber.
Der Parkplatz vor der kleinen Wallfahrtskapelle Etzelsbach reicht längst nicht mehr. Früher standen unter den großen Bäumen nur ein paar Autos, dazu noch einige Fahrräder. Jetzt stehen die Autos an manchen Tagen die ganze Straße entlang. Die Menschen kommen, um die kleine Kapelle zu sehen.
Berlin, Donnerstag, 22.9.
Der Papst wird in Berlin von Bundespräsident Christian Wulff begrüßt, trifft sich dann mit Kanzlerin Angela Merkel, hält später eine Rede im Bundestag und feiert eine Heilige Messe im Olympiastadion.
Erfurt und Etzelsbach, Freitag, 23.9. und Samstag, 24.9.
Benedikt XVI. trifft sich in Erfurt mit Vertretern der evangelischen Kirche, fliegt mit dem Hubschrauberflug ins katholische geprägte Eichsfeld, feiert dort am Abend eine Marienvesper unter freiem Himmel und fliegt dann wieder zurück nach Erfurt. Dort feiert er am nächsten Tage eine Heilige Messe auf dem Domplatz und reist weiter nach Freiburg.
Freiburg, Samstag, 24.9.
Auf der letzten Station seiner Reise trifft der Papst auf Winfried Kretschmann, später auch Altkanzler Helmut Kohl und das Präsidium der deutschen Katholiken. Am Abend sind eine Gebetsvigil mit Jugendlichen und eine Ansprache auf dem Messegelände geplant.
Freiburg, Sonntag, 25.9.
Der Höhepunkt des Besuchs soll eine Heilige Messe auf dem Flughafen sein. Später redet der Papst im Konzerthaus und wird am Flughafen mit einer Zeremonie verabschiedet.
Benedikt XVI. wird hier in wenigen Tagen auf der großen Weide eine Marienvesper halten, ein abendliches Gebet. Er wird nur rund 75 Minuten hier sein, ein kurzes persönliches Gebet in der Kapelle, dann die Vesper unter freiem Himmel, bevor er sich auf den Weg zurück nach Erfurt macht.
Für diese 75 Minuten tun die Menschen in der Region viel, wenn nicht gar alles.
Mauritius Hünermund kommt jeden Tag vorbei. Er ist ehrenamtlicher Bürgermeister von Steinbach, dem kleinen Ort nur wenige hundert Meter entfernt, zu dem die Kapelle gehört. Er geht um die kleine Kirche aus rotem Backstein herum. Er nickt, ist zufrieden, ein Lächeln. Noch läuft alles nach Plan, sagt Hünermund, der eigentlich Elektromeister ist. Jetzt kümmern sich seine Frau und die Mutter um den Betrieb, "ich komme gerade zu nichts", sagt er.
Nicht alle Besucher wollen sich registrieren
Der 37-Jährige beobachtet die Bauarbeiter mit ihren Planierraupen, die sich über das Gelände neben der Kapelle walzen. Die Wiese wurde begradigt, an einigen Abschnitten abgetragen, die Erde an anderer Stelle aufgeschüttet. Wo früher Gras wuchs, brummen jetzt schwere Laster, Bagger fahren Sand auf den geteerten Wegen. Die ziehen sich wie ein schwarzes Netz über den braunen Boden. Zehn Hektar, so groß wie 20 Fußballfelder. Das Bistum rechnete offiziell mit 45.000 Pilgern. Inzwischen haben sich aber schon knapp 60.000 registrieren lassen.
Doch nicht alle, die mitfeiern wollen, möchten sich auch anmelden. Für viele hier klingt das nach DDR. "Wir kennen das mit den Passierscheinen ja noch zu gut", sagt der ältere Herr mit dem Schnauzbart, der mit seinem Rad an der Kapelle hält. Seinen Namen will er nicht sagen, nur so viel: Er wird sich nicht registrieren lassen, schon aus Prinzip!
Für Peter Kittel, Regionalkoordinator des Papstbesuchs im Eichsfeld, kommt das nicht überraschend. "Es ist hier tatsächlich ein bisschen schwierig, den Menschen klarzumachen, dass wir schon aus logistischen Gründen wissen müssen, mit wie vielen Pilgern wir zu rechnen haben". Er glaubt, dass am Ende 70.000 kommen, keinesfalls alles Papst-Fans.
Denn trotz der Ehre und der Vorfreude - es gibt immer auch ein Aber: Aber die schöne Idylle hier. Aber zum Glück ist das alles bald vorbei. Aber es ist ganz schön teuer, das alles, schließlich sind wir hier in einer strukturschwachen Region.
Schlaglöcher und wenig Asphalt
Das Pilgerfeld, es soll nach dem Papstbesuch wieder komplett zurückgebaut werden. Der Teer kommt weg, der Sand auch. Die Kühe sollen wieder grasen, das hat das Bistum den Bauern zugesagt. Wie viel das kostet, will niemand sagen.
Die Infrastruktur hier ist nicht gerade ideal für ein Großereignis. Die Straßen hatten noch bis vor wenigen Wochen Schlaglöcher oder waren kaum asphaltiert. Es gibt keinen Bahnhof in unmittelbarer Nähe, der Bus fährt nur ein paarmal am Tag in Steinbach ab. Bis nach Erfurt braucht man mit dem Auto gute anderthalb Stunden, der Weg schlängelt sich einmal quer durch Thüringens Dörfer, da ist man schneller in Niedersachsen.
Am 23. September wird es im Umkreis von rund drei Kilometern keine Parkplätze für die Pilger geben. Dafür wird die Autobahn A 38, die nur wenige Kilometer südlich verläuft, auf über 60 Kilometern gesperrt. Auf zehn Kilometern sollen die Busse parken. Von dort aus müssen die Pilger dann - nun ja - pilgern. Sternförmig auf die Kapelle zu. Es wird eine echte Wallfahrt, wie man es in der Gegend kennt.
Der Glaube ist wichtig hier, schon immer. Die Gegend war ein schwarzer Fleck auf der roten Landkarte der DDR, eine Enklave im Meer des Atheismus. "Die Eichsfelder haben trotz all der Repressalien ihren Glauben verteidigt, dafür sagt ihnen der Papst jetzt Danke." Meint Regionalkoordinator Kittel. Die Marienkapelle Etzelsbach, berühmt vor allem wegen der alljährlichen Pferdewallfahrt, ist der älteste Marienwallfahrtsort im Eichfeld. Deshalb wollte der Papst auch unbedingt dorthin.
Aufpolierte Vorgärten
Rund um Bodenrode, Wingerode und Reinholterode ist er längst angekommen. Am Ortseingang von Steinbach steht ein Plakat, darauf ein riesiger Benedikt XVI., dazu ein Willkommensgruß. Blumen blühen in den Vorgärten, kein Unkraut in Sicht. Vor einigen Tagen, bei der Einwohnerversammlung, hat Bürgermeister Hünermund noch mal nachgelegt. "Ich habe die Bürger dezent darauf hingewiesen, dass es schön wäre, wenn sie ihre Gärten und Häuser auf Vordermann bringen würden", sagt er.
Und das, obwohl der Papst gar nicht bis nach Steinbach kommt. Der Hubschrauberlandeplatz ist auf einem kleinen Hügel direkt hinter der Kapelle, das Papamobil wird bis auf das Pilgerfeld rollen, weiter nicht. Immerhin, ein Teil der zigtausend Pilger wird durch Steinbach laufen. Kameras werden an der Dorfstraße stehen, die Bilder sollen in rund 60 Länder übertragen werden, Millionen Menschen werden sie sehen. "Wir repräsentieren Thüringen", sagt Hünermund. "Und die ganze Welt - für einen kurzen Augenblick jedenfalls." Er streckt seine Brust ein bisschen weiter nach vorne.
Draußen vor der Wallfahrtskapelle steht ein Mann auf einer Klappleiter, er trägt einen weißen Ganzkörperanzug, eine Maske und Handschuhe. Mit einem Hochdruckreiniger spritzt er den grauen Betstein ab. Die Kapelle wurde im Innenraum komplett saniert, die Wände sind frisch gestrichen, die Holzbänke poliert, die Fenster geputzt, die Kacheln auf dem Boden auch. Eine Gegend in Sonntagskluft.
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