Papierlose Migranten in den USA: Dekret statt Gesetzesreform
Am Kongress vorbei will Präsident Barack Obama Millionen Papierlose vor der Abschiebung schützen. Die Republikaner kündigen harten Widerstand an.
NEW YORK taz | Die seit Jahren versprochene große Einwanderungsreform für rund 12 Millionen Papierlose in den USA schrumpft zu einem präsidenziellen Dekret zusammen. Immerhin soll es bis zu fünf Millionen Menschen vor der Abschiebung schützen. Und es soll – so Präsident Barack Obama während einer Pressekonferenz in Myanmar – noch vor Jahresende in Kraft treten.
Das präsidenzielle Dekret sieht drei Veränderungen vor: Eltern von in den USA geborenen Kindern sollen eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Erwachsene, die als Kinder in die USA gekommen sind, sollen bleiben dürfen. Und straffällig gewordene Einwanderer sollen weiterhin abgeschoben werden.
Darüber hinaus will Obama die Visa-Vergabe an hochqualifizierte ausländische Fachkräfte erleichtern. Und mehr Geld für die „Sicherung“ der US-amerikanischen Südgrenze mobilisieren. Die Politik kontrastiert scharf mit der bisherigen Praxis: unter Obama haben die USA alljährlich Hunderttausende Papierlose abgeschoben. Im Jahr 2013 waren es 369.000.
In Washington reagierte die republikanische Partei, deren Abgeordnete jede Einwanderungsreform verhindert haben, mit wütenden Drohungen auf den angekündigten Alleingang. Doch die katholische Bischofskonferenz, die in anderen Fragen auf Seiten der rechten Blockierer steht, unterstützt dieses Mal den Präsidenten. Genau wie die überwiegende Mehrheit der Latinos in den USA.
Millionen Menschen schützen
„Ein Schritt in die richtige Richtung“, kommentierte Gustavo Torres von der Migrantengruppe CASA. Und Lorela Praelli von „United We Dream“ reagierte: „Wir feiern, dass endlich Erleichterung für einige Millionen Migranten kommt. Und wir kämpfen weiter für Erleichterung für die Millionen anderen“.
Immigrationsanwälte arbeiten seit Monaten an dem Dekret, um es gegen Anfechtungen abzusichern. Mehrere Einzelheiten sind nach Recherchen US-amerikanischer Medien noch offen. Unter anderem soll noch unklar sein, ob Eltern von in den USA geborenen Kindern zehn oder fünf Jahre in den USA gewesen sein müssen. Im ersteren Fall, käme das Dekret nur rund 2,5 Millionen Menschen zugute, im zweiten mindestens 3,3 Millionen. Obama kehrt am Sonntag von seiner Asienreise zurück. In Washington wird erwartet, dass er sein Dekret in der nächsten Woche vorstellt.
Die Einwanderungspolitik – darüber sind sich beide Parteien in Washington einig – ist dringend reparaturbedürftig. Doch schon Ex-Präsident George W. Bush scheiterte an ihrer Reform. Damals wie auch unter Obama unterstützten zwar einige „moderate“ Republikaner Reformversuche, doch der radikal rechte Flügel blockierte.
Widerstand „mit Zähnen und Klauen“
Zuletzt nahm der US-Senat im vergangenen Jahr eine von Politikern beider Parteien erarbeitete Reform an. Doch das schon damals mehrheitlich republikanische Repräsentantenhaus, in dem Tea Partier den Ton angaben, ließ sie platzen. Jene Reform hätte einer deutlich größeren Zahl von Einwanderern zu einer langfristigen Legalisierung verholfen als das jetzt geplante Dekret. Hinzu kommt, dass per Dekret verfügte Regelungen von künftigen Präsidenten jederzeit wieder gekippt werden können.
Auch demokratische Politiker taktieren mit der Einwanderungspolitik. Zuletzt zog Obama sein schon vor den Midtermwahlen geplantes Dekret aus Rücksicht auf demokratische Abgeordnete zurück, die Angst hatten, sie würden nicht wieder gewählt, wenn es eine Einwanderungsreform gäbe. Jetzt kündigt der republikanische Chef des Repräsentantenhauses, John Boehner, „Widerstand mit Zähnen und Klauen“ an. Und der texanische Abgeordnete Joe Barton erwagt ein Amtsenthebungsverfahren.
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