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Papier der SPD-LinkenDie Schwäche der Agenda-Gegner

Die gewerkschaftsnahe SPD-Linke will den Kurswechsel: weg von der Agenda 2010 und der Rente mit 67. Doch moderate Parteilinke bleiben auf Distanz, SPD-Rechte wiegeln ab.

Parteichef Kurt Beck reagiert nur zögernd auf die Thesen von Schreiner (re.) & Co Bild: dpa

BERLIN taz Die SPD-Linke war nach der Niederlage bei der Bahnprivatisierung weitgehend von der Bildfläche verschwunden. Nun hat sie sich mit einer scharfen Abrechnung mit der Schröder-Politik zu Wort gemeldet. Unter dem Titel "Reichtum nutzen, Armut bekämpfen, Mittelschicht stärken" verlangen 60 SPD-Politiker die Rücknahme der Rente mit 67, die Einführung der Vermögensteuer und die Abschaffung der Praxisgebühr. Unter Rot-Grün, so die Analyse, sei die Kluft zwischen Arm und Reich enorm gewachsen. Die Angst der Mittelschicht vor Armut wachse, die Aufstiegsmöglichkeiten seien geschrumpft, die Löhne gesunken.

Angesichts dieses sozialpolitischen Desasters müsse endlich umgesteuert werden. Neben der Einführung des Mindestlohns müssten Leiharbeit und Minijobs eingeschränkt werden und Ein-Euro-Jobs in reguläre Beschäftigungsverhältnisse verwandelt werden. Außerdem soll eine reformierte Erbschaftsteuer dem Staat zehn Milliarden Euro jährlich mehr bringen. Höhere Steuern für Reiche, mehr Sozialstaat, bessere Bildung, weg mit der Agenda 2010, so das Credo der Thesen, die in manchen Passagen an Ideen des Realoflügels der Linkspartei erinnern.

Die Autoren zählen größtenteils zum gewerkschaftsnahen Flügel der SPD. Unterzeichnet haben das Papier neben anderen das SPD-Vorstandsmitglied Hilde Mattheis, Claus Matecki vom DGB-Vorstand, Margret Mönig-Raane vom Ver.di-Vorstand, der Chef der IG BAU, Klaus Wiesehügel, sowie Herta Däubler-Gmelin und Ottmar Schreiner. "Uns geht es um Verteilungsgerechtigkeit", so die Unterstützerin des Papiers, Mattheis, zur taz. Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck reagierte auf die Thesen im Bundesvorstand freundlich. Er ließ aber ausdrücklich dementieren, dass er sie als "wichtigen Beitrag" zur Debatte bezeichnet habe. Am Sonntag will die SPD-Spitze einen Entwurf für ein Regierungsprogramm 2009 vorstellen.

Einen richtigen Flügel- und Meinungskampf hat das Papier in der Partei allerdings nicht ausgelöst. Der SPD-Linke Karl Lauterbach kritisierte das Papier gegenüber der taz als nicht sonderlich hilfreich. Die SPD ziehe doch, so Lauterbach, "in vielen zentralen Punkten am gleichen Strang". Die Partei wolle einen Mindestlohn, die Gemeinschaftsschule, die Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze und stärkere steuerliche Belastung von Wohlhabenden. Eine Debatte über die Agenda 2010 bringe derzeit wenig, weil "sie bloß Unterschiede betont". Es komme darauf an, so Lauterbach, das Verbindende ins Zentrum zu rücken.

Auffällig ist, dass die Namen der bundespolitisch einflussreichen SPD-Linken unter dem Papier fehlen. Weder die SPD-Vize-Chefin Andrea Nahles noch prominente SPD-Linke wie Niels Annen, Hermann Scheer oder Michael Müller haben das Papier unterschrieben. Auch die der Linken zugehörigen Landeschefs von Schleswig-Holstein und Hessen, Ralf Stegner und Andrea Ypsilanti, blieben auf Distanz. Es gebe, so Stegner, nach dem Hamburger Parteitag vom Oktober 2007 keinen Bedarf für eine neue Programmdebatte.

Überraschend ähnlich schätzt Johannes Kahrs, Sprecher des rechten Seeheimer Kreises, das Linken-Papier ein. Vieles darin, so Kahrs zur taz, halte er für "völlig richtig", weil es dem Hamburger Parteiprogramm entspreche. Anderes, wie die Rückkehr zur Rente mit 65, halte er für falsch. Becks Reaktion auf die Thesen sehe er unaufgeregt. Im Übrigen sei bezeichnend, dass den Aufruf kein prominentes Mitglied der Parlamentarischen Linken unterzeichnet habe.

Die milden Reaktionen auf das Papier von Schreiner & Co zeigen an, wie schwach die Traditionslinke in der SPD, die einen entschlossenen Bruch mit der Agenda-Politik will, mittlerweile ist. Es gelingt ihr nicht mal, einen ordentlichen Flügelstreit in Gang zu setzen. Der Vorstoß endet in Watte. STEFAN REINECKE

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12 Kommentare

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  • I
    iBot

    Habe ich irgendwas verpasst und das, was der SPD fehlt, sind ordentliche Flügelkämpfe? Das wird nämlich im letzten Satz suggeriert, und mangelnde innerparteiliche Konflikte sind zweifellos derzeit das letzte Problem der SPD.

  • N
    NADI

    Die SPD-Linke schießt mit diesem Papier auch übers Ziel, weil dort alles gefordert wird. Dass Harz-IV bzw. das Zweite Sozialgesetzbuch in großer Zahl gar nicht von Gemeinden und Kommunen umgesetzt wird, ist der eigentliche Skandal.

    Die Arbeitslosen erhalten in der Regel gar nicht die Leistungen durch die Job-Center, die in Paragraph I und II stehen. Stattdessen arbeiten die Jobcenter daran, die Leute aus dem Bezug zu killen. Das tun sie allerdings mit allen Mitteln. Da die meisten Arbeitslosen mit ihren sogenannnten Vermittlern alleine im Zimmer sitzen, können die nichts nachweisen und sind den Attacken dieses Personals einfach ausgeliefert.

    Wer etwas an Harz ändern will, der sollte zunächst dafür sorgen, dass dieses Gesetz umgesetzt wird.

    Danach wäre es sehr hilfreich, wenn Bewerbungspauschalen, Weiterbildungen und Umschulungen gefördert werden könnten. Genau dies geschiet aber nicht, aus einem einfachen Grund: Einsparen.

    Die SPD-Linke macht hier eine PR-Aktion für ein paar Fossile der SPD der 90er Jahre. Insgesant denken dann viele Menschen, es gäbe diese Leute in der SPD und sie hätten Macht.

    Wer sich die Auseinandersetzungen um Harz-IV in der Partei ansieht, der versteht, dass die Wähler lieber die Linke wählen. Es gab nur sehr wenig Widerstand und all die linken Abgeordneten und Funktionäre standen stramm und nickten das Gesetz ab. Wer etwas tun will, der sollte die Realität des Gesetzes einfach umsetzen, dies wäre übrigens sogar ein Gebot des Gesetzgebers.

    Solange dies nicht der Fall ist, bleibt Harz-IV ein sich durch die SPD fressender Schimmelpilz, der Mitglieder, Wahlen und Sympathie kostet.

  • SJ
    S J. Schmidt

    Wäre es nicht noch viel sinnvoller, die Banken und die übrigen Schlüsselindustrien wieder zu verstaatlichen? Damit könnte man die Millionen für die Managergehälter sparen und sie zusammen mit den Unternehmensgewinnen allen zur Verfügung stellen, die nicht arbeiten.

  • LP
    Ludwig Paul Häußner

    Ideen- und orientierungslose Rest-SPD

     

    -------------------------------------

     

    Nach der real existierenden Spaltung der SPD durch die LINKE zeigt sich ganz deutlich, dass die SPD keine zukunftsweisenden Ideen hat, sondern sich an alte Deutungsmuster der bereits 1975 in Deutschland zu Ende gegangenen Industriegesellschaft orientiert.

     

    Was wäre wirklich neu?

     

    Ein sozialdemokratisches Grundeinkommen - finanziert über eine auf - EU-konforme - 25 % erhöhte MwSt. Das bedingungslose Grundeinkommen ist steuertechnisch praktisch der ausgezahlte MwSt-Freibetrag.

     

    Grundeinkommen und Konsumsteuer sind sozial und demokratisch. Leider ist die Rest-SPD dafür taub und blind - bis auf den kleinen Kreisverband Rhein-Erft-SPD. Hier denkt man noch vorwärts.

     

    http://www.erftkreis-spd.de/db/docs/doc_16419_20071021185525.pdf

     

    Ludwig Paul Häußner, Karlsruhe

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    Habe ich irgendwas verpasst und das, was der SPD fehlt, sind ordentliche Flügelkämpfe? Das wird nämlich im letzten Satz suggeriert, und mangelnde innerparteiliche Konflikte sind zweifellos derzeit das letzte Problem der SPD.

  • N
    NADI

    Die SPD-Linke schießt mit diesem Papier auch übers Ziel, weil dort alles gefordert wird. Dass Harz-IV bzw. das Zweite Sozialgesetzbuch in großer Zahl gar nicht von Gemeinden und Kommunen umgesetzt wird, ist der eigentliche Skandal.

    Die Arbeitslosen erhalten in der Regel gar nicht die Leistungen durch die Job-Center, die in Paragraph I und II stehen. Stattdessen arbeiten die Jobcenter daran, die Leute aus dem Bezug zu killen. Das tun sie allerdings mit allen Mitteln. Da die meisten Arbeitslosen mit ihren sogenannnten Vermittlern alleine im Zimmer sitzen, können die nichts nachweisen und sind den Attacken dieses Personals einfach ausgeliefert.

    Wer etwas an Harz ändern will, der sollte zunächst dafür sorgen, dass dieses Gesetz umgesetzt wird.

    Danach wäre es sehr hilfreich, wenn Bewerbungspauschalen, Weiterbildungen und Umschulungen gefördert werden könnten. Genau dies geschiet aber nicht, aus einem einfachen Grund: Einsparen.

    Die SPD-Linke macht hier eine PR-Aktion für ein paar Fossile der SPD der 90er Jahre. Insgesant denken dann viele Menschen, es gäbe diese Leute in der SPD und sie hätten Macht.

    Wer sich die Auseinandersetzungen um Harz-IV in der Partei ansieht, der versteht, dass die Wähler lieber die Linke wählen. Es gab nur sehr wenig Widerstand und all die linken Abgeordneten und Funktionäre standen stramm und nickten das Gesetz ab. Wer etwas tun will, der sollte die Realität des Gesetzes einfach umsetzen, dies wäre übrigens sogar ein Gebot des Gesetzgebers.

    Solange dies nicht der Fall ist, bleibt Harz-IV ein sich durch die SPD fressender Schimmelpilz, der Mitglieder, Wahlen und Sympathie kostet.

  • SJ
    S J. Schmidt

    Wäre es nicht noch viel sinnvoller, die Banken und die übrigen Schlüsselindustrien wieder zu verstaatlichen? Damit könnte man die Millionen für die Managergehälter sparen und sie zusammen mit den Unternehmensgewinnen allen zur Verfügung stellen, die nicht arbeiten.

  • LP
    Ludwig Paul Häußner

    Ideen- und orientierungslose Rest-SPD

     

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    Nach der real existierenden Spaltung der SPD durch die LINKE zeigt sich ganz deutlich, dass die SPD keine zukunftsweisenden Ideen hat, sondern sich an alte Deutungsmuster der bereits 1975 in Deutschland zu Ende gegangenen Industriegesellschaft orientiert.

     

    Was wäre wirklich neu?

     

    Ein sozialdemokratisches Grundeinkommen - finanziert über eine auf - EU-konforme - 25 % erhöhte MwSt. Das bedingungslose Grundeinkommen ist steuertechnisch praktisch der ausgezahlte MwSt-Freibetrag.

     

    Grundeinkommen und Konsumsteuer sind sozial und demokratisch. Leider ist die Rest-SPD dafür taub und blind - bis auf den kleinen Kreisverband Rhein-Erft-SPD. Hier denkt man noch vorwärts.

     

    http://www.erftkreis-spd.de/db/docs/doc_16419_20071021185525.pdf

     

    Ludwig Paul Häußner, Karlsruhe

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    Habe ich irgendwas verpasst und das, was der SPD fehlt, sind ordentliche Flügelkämpfe? Das wird nämlich im letzten Satz suggeriert, und mangelnde innerparteiliche Konflikte sind zweifellos derzeit das letzte Problem der SPD.

  • N
    NADI

    Die SPD-Linke schießt mit diesem Papier auch übers Ziel, weil dort alles gefordert wird. Dass Harz-IV bzw. das Zweite Sozialgesetzbuch in großer Zahl gar nicht von Gemeinden und Kommunen umgesetzt wird, ist der eigentliche Skandal.

    Die Arbeitslosen erhalten in der Regel gar nicht die Leistungen durch die Job-Center, die in Paragraph I und II stehen. Stattdessen arbeiten die Jobcenter daran, die Leute aus dem Bezug zu killen. Das tun sie allerdings mit allen Mitteln. Da die meisten Arbeitslosen mit ihren sogenannnten Vermittlern alleine im Zimmer sitzen, können die nichts nachweisen und sind den Attacken dieses Personals einfach ausgeliefert.

    Wer etwas an Harz ändern will, der sollte zunächst dafür sorgen, dass dieses Gesetz umgesetzt wird.

    Danach wäre es sehr hilfreich, wenn Bewerbungspauschalen, Weiterbildungen und Umschulungen gefördert werden könnten. Genau dies geschiet aber nicht, aus einem einfachen Grund: Einsparen.

    Die SPD-Linke macht hier eine PR-Aktion für ein paar Fossile der SPD der 90er Jahre. Insgesant denken dann viele Menschen, es gäbe diese Leute in der SPD und sie hätten Macht.

    Wer sich die Auseinandersetzungen um Harz-IV in der Partei ansieht, der versteht, dass die Wähler lieber die Linke wählen. Es gab nur sehr wenig Widerstand und all die linken Abgeordneten und Funktionäre standen stramm und nickten das Gesetz ab. Wer etwas tun will, der sollte die Realität des Gesetzes einfach umsetzen, dies wäre übrigens sogar ein Gebot des Gesetzgebers.

    Solange dies nicht der Fall ist, bleibt Harz-IV ein sich durch die SPD fressender Schimmelpilz, der Mitglieder, Wahlen und Sympathie kostet.

  • SJ
    S J. Schmidt

    Wäre es nicht noch viel sinnvoller, die Banken und die übrigen Schlüsselindustrien wieder zu verstaatlichen? Damit könnte man die Millionen für die Managergehälter sparen und sie zusammen mit den Unternehmensgewinnen allen zur Verfügung stellen, die nicht arbeiten.

  • LP
    Ludwig Paul Häußner

    Ideen- und orientierungslose Rest-SPD

     

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    Nach der real existierenden Spaltung der SPD durch die LINKE zeigt sich ganz deutlich, dass die SPD keine zukunftsweisenden Ideen hat, sondern sich an alte Deutungsmuster der bereits 1975 in Deutschland zu Ende gegangenen Industriegesellschaft orientiert.

     

    Was wäre wirklich neu?

     

    Ein sozialdemokratisches Grundeinkommen - finanziert über eine auf - EU-konforme - 25 % erhöhte MwSt. Das bedingungslose Grundeinkommen ist steuertechnisch praktisch der ausgezahlte MwSt-Freibetrag.

     

    Grundeinkommen und Konsumsteuer sind sozial und demokratisch. Leider ist die Rest-SPD dafür taub und blind - bis auf den kleinen Kreisverband Rhein-Erft-SPD. Hier denkt man noch vorwärts.

     

    http://www.erftkreis-spd.de/db/docs/doc_16419_20071021185525.pdf

     

    Ludwig Paul Häußner, Karlsruhe