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Panne vor Kölner OberbürgermeisterwahlKöln verwählt sich schon wieder

Tausende Wahlzettel sind fehlerhaft. 53.000 Briefwahlzettel wurden bereits abgegeben. Der Patzer erinnert an die Kommunalwahl 2014.

Beim Rosenmontagszug in Köln wurde schon eifrig über die Kommunalwahl 2014 hergezogen. Foto: imago/stock&people

Berlin taz | Die Nachricht platzte wie eine Bombe im Kölner Rathaus: Eineinhalb Wochen vor der Wahl des neuen Oberbürgermeisters wird der Wahltermin verschoben. Das meldete der Kölner Stadtanzeiger gestern Abend. Ein neuer Termin war zunächst nicht bekannt.

Zuvor hatte Stadt noch erklärt, die Wahl solle trotz fehlerhafter Stimmzettel wie geplant stattfinden. Es müssten nur in Windeseile 800.000 neue Stimmzettel gedruckt werden. Die Kölner Stadtverwaltung gab damit rechtlichen Bedenken der Bezirksregierung statt. Diese hatte in einem Schreiben an die Stadtverwaltung moniert, dass die Parteinamen unverhältnismäßig groß neben den Stimmkreuzen abgedruckt sind.

Dadurch entstünde beim Wähler ein sogenannter Überstrahlungseffekt: Die dick abgedruckten Parteinamen drängten die Namen der insgesamt sieben Kandidaten in den Hintergrund. Insbesondere die parteilosen Kandidaten könnten dadurch benachteiligt werden. Laut Kommunalwahlrecht müssen Wahlzettel so gestaltet sein, „dass eine potenzielle Beeinflussung des Wählerwillens zugunsten oder zuungunsten einzelner Wahlvorschläge ausgeschlossen wird“.

Die bereits abgegebenen 53.000 Briefwahlzetteln bleiben nicht, wie die Stadt zunächst verlauten ließ, gültig. Das teilte die Bezirksregierung der Stadt am späten Nachmittag mit. Die Briefwähler müssten die Gelegenheit erhalten, „anhand des neuen Stimmzettels ihren Wählerwillen auszuüben - deshalb müssten auch sie neue Wahlzettel erhalten.

Die Initiative „Mehr Demokratie“ hatte zuvor kritisiert, nur für die restlichen Wähler neue Zettel zu drucken, beschwöre Wahlanfechtungen geradezu herauf. Die einzige Lösung sei eine Verschiebung der Wahl, um allen Wählern die Stimmabgabe mit einwandfreien Stimmzetteln zu ermöglichen.

Noch hält Wahlleiterin Agnes Klein (SPD) an ihrem Amt fest. CDU und FDP fordern ihren Rücktritt. Die Jugenddezernentin Klein übernahm die Wahlleitung vor fünf Monaten, nachdem ihr Vorgänger, Stadtdirektor Guido Kahlen (SPD), aufgrund von Unregelmäßigkeiten in einem Briefwahlbezirk im Süden Kölns bei der vergangenen Kommunalwahl zurückgetreten war. Wahlhelfer hatten die Stimmen der SPD und CDU verwechselt. Monatelang hatte sich die Kölner SPD mit Unterstützung des Düsseldorfer Innenministeriums gegen eine Neuauszählung gesträubt, erst per Gerichtsbeschluss wurde diese durchgesetzt – mit dem Ergebnis, dass Rot-Grün seine hauchdünne Mehrheit im Stadtrat verlor. Das Wahldebakel war nur der erste Paukenschlag in Köln, die Blamage um fehlerhafte Wahlzettel setzt dem Ganzen die Krone auf.

Die Empörung quer durch die Parteien ist entsprechend groß. Der SPD-Spitzenkandidat Jochen Ott ist „stinksauer“. Es müsse doch möglich sein, dass eine Millionenstadt wie Köln eine ordentliche Wahl organisiere. Seine Herausforderin, die parteilose derzeitige Sozialdezernentin Henriette Reker, sieht das differenzierter. Reker wird nicht nur von der CDU und der FDP unterstützt, sondern interessanterweise auch von den Grünen. Die 58-Jährige befürchtet, dass das Vertrauen der Wähler weiter erschüttert und die Wahlbeteiligung entsprechend niedrig ausfallen wird. Sie dürfte allerdings von den neu gestalteten Wahlzetteln profitieren. Reker hatte bedauert, dass ihr Name so klein geschrieben war, dass ihn „Menschen ohne Brille nicht erkennen können“.

Fest steht: Köln hat sich mal wieder bundesweit blamiert. Eine teure Blamage: Allein der Neudruck der Wahlzettel wird den Steuerzahler einige Zehntausend Euro kosten.

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1 Kommentar

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  • So, so, "die parteilosen Kandidaten" könnten benachteiligt werden? Aber kein Wort darüber in den Medien welche Schindluderei mit dem Begriff "parteilos" getrieben wird. Für mich wäre es eine Genugtuung wenn der Schuss für die ewig Besserwissenden nach hinten losgeht und weder die "parteilose" Bewerber*in, deren Unterstützer die Lawine losgetreten haben, als auch ihr Mitbewerber nicht gewählt werden. Zudem sollten alle Bürger*innen (was eigentlich nicht richtig wäre) um ein Signal zu setzen dass sie die Schnauze voll haben, der Urne fernbleiben und nicht wählen.

     

    Statt nach Auswegen zu suchen die dazu beitragen dass die Wahlbeteiligung steigt, begünstigt man mehr oder weniger bewusst die Politikverdrossenheit und signalisiert, was meiner Ansicht nach schon lange der Fall ist, dass wir längst nicht mehr in einer Demokratie leben.