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Archiv-Artikel

Pankower Argumente

Leonie Gebers ist die erste Jüngere am Mikrofon: „Die größte Sorge vieler Sozialdemokraten ist nicht, dass der Koalitionsvertrag schlecht für das Land ist“, sagt die 42-Jährige mit Pferdeschwanz, „sondern dass er schlecht für die Partei ist.“ Das lässt sie nicht gelten: „Warum bin ich denn in die SPD eingetreten? Nicht weil ich was für die Partei, sondern was für das Land machen wollte.“

Samstagvormittag, BVV-Saal Pankow. Knapp 120 GenossInnen sind zur SPD-Kreisvollversammlung gekommen, um Argumente für und wider Große Koalition auszutauschen. Keine ideologische Debatte, Leonie Gebers ist da anderes gewohnt. Vor der Bundestagswahl hatte die Wahlkreisbasis sie als Direktkandidatin nominiert – was die Kreisvertreterversammlung wenig scherte: Sie nominierte lieber den Parteilinken Klaus Mindrup.

Gebers ließ sich nicht entmutigen, und so steht sie nun da und wirbt – wie schon Landeschef Jan Stöß – für das Bündnis. Ein reines Schaulaufen ist das hier nicht, das wurde schon zu Beginn klar: Über die Hälfte der Anwesenden gaben an, noch nicht zu wissen, wie sie votieren werden.

Kontra gibt Martin Müller vom Ortsverband Helmholtzplatz. Den Koalitionsvertrag nennt er „eine Wundertüte, in der für jeden was drin ist: süße Bonbons und saure Drops“. Dass das Papier für im Niedriglohnsektor Arbeitende Verbesserungen enthält, bestreitet er nicht. „Ausschlaggebend ist aber, was der SPD langfristig schadet oder nützt“, ruft er und erinnert an die letzte Große Koalition, aus der die SPD als Verlierer hervorging.

Was ist gut für Deutschland, was für die SPD? Beide Fragen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Beiträge, bei denen sich Koalitionsbefürworter und -gegner die Waage halten. Tacheles redet ein Umweltexperte: „Wir begehen Selbstmord aus Angst vor dem Tod.“ Von Energiewende sei keine Rede mehr. Ein anderer verortet die Gegner in der eigenen Partei: „Wenn Landesverbände wie NRW und Brandenburg an fossilen Energien festhalten, müssen wir uns über eine schlechte Verhandlungsposition nicht wundern.“

Nach gut drei Stunden geht man auseinander. Angriffe auf den jeweils anders Denkenden hat es nicht gegeben. Ganz wie Landeschef Stöß am Anfang angemahnt hatte: „Nach dem Mitgliederentscheid muss jeder das Ergebnis mittragen.“ UWE RADA