schnittplatz: Panik im Boot
Als am Freitag vor einer Woche das russische U-Boot „Kursk“ sank, da senkte es sich mit seinen 18.000 Tonnen auch ins Sommerloch – stabile Seitenlage im Schlick der See ebenso wie in der Agenda der Nachrichtenmacher.
Nicht nur private Kanäle wie N 24 oder n-tv berichteten ausdauernd über die Katastrophe: Auch die Öffentlich-Rechtlichen hatten den Reiz des Themas entdeckt und überboten sich gegenseitig mit Sondersendungen. Als etwa Deutschland gegen Spanien kickte, warb das ZDF nicht nur per Einblendung für das anschließende „Special zum U-Boot-Drama im Nordmeer“ – der Sportreporter selbst ließ mehrfach das Spiel Spiel sein und empfahl seinen ZuschauerInnen, doch dranzubleiben. Wo man dann mit aalglattem Lächeln und dem Hinweis empfangen wurde, „notgedrungen“ über die Katastrophe berichten zu müssen.
Und schnell wurde klar, dass weniger die Not der ersoffenen Matrosen als vielmehr der Drang nach Quote die Programmänderung diktiert hatte.
Wie mache ich eine Sondersendung, wenn’s nichts zu versenden gibt und jedes Wort Spekulation ist? Ich mach’s einfach trotzdem. Und schalte dann, wie Peter Frey im ZDF-„Special“, zu einem britischen Flottillenadmiral, der zwar auch nichts zu sagen hat, dessen Statements aber dennoch synchron übersetzt werden.
Zum Gruseln gab‘s Ausschnitte aus einem russischen Spielfilm zum Untergang eines anderen U-Bootes: Wassereinbruch, wackelnde Kamera, flackerndes Licht, Panik – jaja, so könnte es gewesen sein. Beim ARD-„Brennpunkt“ schneiderte Jörg Schönenborn dem Entsetzen ein nachrichtliches Kleidchen und wurde dafür mit Quoten von bis zu 37 Prozent belohnt – dieser Zweck heiligt selbst die schäbigsten Mittel.
CNN übrigens klinkte sich gleich ins Programm des russischen Fernsehens und zeigte schemenhafte Taucher an der Luke – eine unkommentierte Meditation übers Ertrinken. „Breaking News“ eben. ARNO FRANK
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