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■ Pampuchs TagebuchDer kalte Browser

Der Mensch als solcher ist ja stets bereit, sich Illusionen hinzugeben, Unglaubliches zu glauben, zu idealisieren und zu verklären. Ich bin da keine Ausnahme. Wenn mir eine Person meines Vertrauens einen ganzen Abend lang von Internet und E-Mail vorschwärmt – wie toll, wie leicht, wie schnell! –, dann erwäge ich ernsthaft, mir das auch zuzulegen. Natürlich nicht unbesehen, ich will mich schon selbst überzeugen...

„Also jetzt zeig mal...“, sagte ich demzufolge zu manch einer Vertrauensperson. Aber schon bald – und auch das gehört wohl zum Menschsein als solchem – folgte der kalte Schauer, oder soll ich besser sagen: der kalte Browser der Desillusionierung. Als ich das allererste Mal, gespannt wie ein Flitzebogen, vor dem Bildschirm auf das tolle Internet wartete, kam keine Verbindung zustande. Es war ewig besetzt, klappte nicht, wir kamen einfach nicht hinein ins Internet.

Als es beim nächsten Mal endlich funktionierte, hatte ich bereits ein Anliegen: Ich wollte einen bestimmten Buchtitel finden. Endlos rollten wir dann öde Webseiten ab, die sich ständig wiederholten, klickten zu diesem und jenem Oberbegriff, bis wir uns mit der Meldung „Keine weiteren Einträge vorhanden“ zufriedengeben mußten. Mir war klar: Das bringt's nicht!

„E-Mail ist echt Klasse!“ sagte Claudia. Es ist eine geniale Mischung aus Brief und Telefon. Das Tolle ist, daß man sie lesen kann, wann man will, und daß man beim Abschicken niemanden stört, weil es nicht klingelt wie das Fax oder das Telefon, der andere kann sie eben auch lesen, wann er will. Es macht echt Spaß, heute habe ich zum Beispiel 25 E-Mails gekriegt!“ Das beeindruckte mich natürlich.

„Also dann zeig mal...“, sagte ich wieder. Claudia zeigte mir ihre E-Mails, überwiegend kurze, harmlose Nachrichten. Liebesbriefe waren natürlich nicht dabei, denn: „Bei E-Mails gibt es keine Anonymität, die kann jeder lesen, der Zugang zum Computer hat. Allzu privat kann man da nicht werden.“

Feierlich schickten wir dann meine erste E-Mail an meinen Bruder in die Karibik. Nach nur zwei Fehlversuchen waren wir erfolgreich und bekamen eine entsprechende Meldung. Bei der nächsten E-Mail klappte es weniger gut. Der Empfänger teilte Claudia kurze Zeit später in einer Rück-E-Mail mit, daß er ihren Text nicht habe lesen können. Daraufhin mußte Claudia irgendwas konvertieren, klickte erneut auf „senden“ und erhielt dann ihrerseits etwas Unleserliches. Schließlich schrieb sie: „Konnte deine E-Mail nicht lesen, ruf bitte an.“ Aber er rief nicht an. Und faxte nicht und e-mailte nicht. Bis heute nicht. Denn das kann einem eben auch als Internetbesitzer passieren: keine Nachricht. Nichts auf dem Anrufbeantworter, kein Fax, ein leerer Briefkasten. Und wie von ungefähr fiel mir plötzlich eine Liedzeile von Bruce Springsteen ein: „Fiftyseven channels and nothing on“.

Bei Springsteen bezog sich das auf das schlechte Fernsehprogramm, aber natürlich läßt es sich mühelos auf Computer und auch auf Menschen übertragen: Der Computer ist schließlich ebenso wie das Fernsehen und auch der Mensch – ja, auch er! – nur ein Medium, durch das erst Inhalt oder, besser noch, Weisheit fließen muß. Und allein auf diesen Inhalt kommt es an. Darum spielt es gar keine Rolle, ob ich mir Internet anschaffe oder nicht. Denn schließlich geht es nur darum, zu erkennen, wer wir sind – und es ist ganz egal, ob wir uns dieses Wissen runterladen oder vor der Glotze erzappen oder ob es uns von Gott direkt ins Gehirn gemailt wird. Eva Pampuch

clamutief@gmx.de

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