Pakistanische Taliban auf dem Vormarsch: Zivilisten fliehen vor Kämpfen
Pakistans Armee startet Offensive gegen lokale Islamisten. Mit denen hatte die Regierung ein Abkommen geschlossen, seitdem sie an Einfluss gewannen.
Die Auseinandersetzungen zwischen Pakistans Sicherheitskräften und militanten Islamisten nehmen immer mehr Ausmaße eines Bürgerkrieges an: Zehntausende Menschen sind im Nordwesten des Landes vor Kämpfen auf der Flucht. Fernsehaufnahmen zeigten lange Schlangen von Menschen, die aus der Region strömen. Sie scheinen überstürzt geflohen zu sein: Die meisten von ihnen ließen alles zurück, als sie sich zu Fuß in Sicherheit brachten. Ihnen kommen Fahrzeuge der Armee entgegen, die weitere Soldaten ins Konfliktgebiet transportieren.
Flüchtlinge berichteten pakistanischen Medien von Artillerieangriffen auf Stellungen von Islamistenmilizen. Auch Hubschrauber seien rund um die Uhr Angriffe geflogen. Bereits 30.000 Einwohner hätten die Region Dir wegen der Kämpfe verlassen, erklärte Mian Iftikhar Hussain, der Informationsminister der Nordwest-Grenzprovinz am Dienstagabend. Dennoch werde seine Regierung alles unternehmen, um die getroffenen Friedensvereinbarungen mit lokalen Talibanführern umzusetzen.
Die Regierung in Islamabad hatte die Militäroffensive nach massivem Druck aus den USA am Sonntag gestartet. Zuvor waren Kämpfer der selbsternannten Pakistanischen Taliban (TTP), einem Sammelsurium von rund drei Dutzend Islamistengruppen, bis 100 Kilometer an die Hauptstadt Islamabad vorgerückt. Für die Regierung war der Vorstoß eine Blamage. Denn sie bemüht sich seit Monaten, Frieden mit den Islamisten zu schließen. Diese sollten ihre Waffen niederlegen und ihren Kampf gegen den Staat einstellen. Im Gegenzug soll die Scharia, das islamische Recht, in der Region eingeführt werden, die an Afghanistan grenzt.
Ein erstes Experiment dieser Art im Swat-Tal nördlich von Islamabad rief harsche Kritik aus dem Ausland hervor. Im Februar hatte sich die Regierung in Islamabad mit dortigen Extremisten auf die Wiedereinführung eines Stammesrechts verständigt, das auf der Scharia basiert und dort bis 1969 angewandt wurde. Doch die Islamisten nahmen umgehend das Recht in die eigene Hand. Es gab einen Aufschrei des Entsetzens, als Aufnahmen aus dem Swat-Tal kursierten, auf denen ein Islamisten-Kämpfer eine junge Frau vor versammelten Zuschauern brutal mit einem Stock züchtigt. Die Kritik aus dem Ausland fiel entsprechend heftig aus. Vor allem die USA kritisierten, die Regierung habe vor den Extremisten kapituliert und diese darin bestärkt, weitere Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen. Islamabad wies diese Vorwürfe so lang zurück, bis die Extremisten vor zwei Wochen in Buner südlich des Swat-Tals einfielen.
Doch auch in der Hauptstadt droht Ärger. Kürzlich setzte das Oberste Gericht den radikalen Kleriker Maulana Abdul Aziz gegen Bewährung auf freien Fuß. Er hatte im Sommer 2007 einen bewaffneten Aufstand von Koranschülern in Islamabad geführt, der gewaltsam die Einführung der Scharia in der Hauptstadt erzwingen sollte. Nach tagelanger Belagerung stürmte die Armee die Koranschule im Stadtzentrum, in der sich die Extremisten verschanzt hatten. Nach offiziellen Angaben starben dabei rund 100 Menschen, die Gebäude wurden fast komplett zerstört und danach abgerissen. Aziz, der die Schüler dazu aufgerufen hatte, für ihren Glauben in den Tod zu gehen, wurde festgenommen, als er versuchte, als Frau verkleidet zu entkommen. Unmittelbar nach seiner Freilassung hielt er eine Predigt vor tausenden von Anhängern.
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