piwik no script img

PakistanDer gefallene Märtyrer aus Islamabad

In eine Burka gehüllt, versuchte Maulana Abdul Aziz nach offiziellen Angaben aus der Roten Moschee zu fliehen. Oder will sich die Regierung nur rächen?

Fernsehaufnahme des pakistanischen Klerikers Maulana Abdul Aziz Bild: ap

Für einen Mann wie Maulana Abdul Aziz muss es erniedrigend gewesen sein, ausgerechnet von einer Polizistin verhaftet zu werden und ausgerechnet beim Versuch, in eine Burka gehüllt, zu fliehen. So erniedrigend, dass so mancher Beobachter zweifelt, ob sich die Umstände der Festnahme von Aziz in Islamabad wirklich so zugetragen haben.

Denn wollte sich die Staatsmacht an dem radikalen Prediger rächen, sie hätte es nicht besser erfinden können. Monatelang hatte der Vorsteher der Roten Moschee im Zentrum der pakistanischen Hauptstadt Islamabad die Regierung von General Pervez Musharraf lächerlich gemacht. Vom Gelände der Moschee aus hatten Aziz und sein Bruder Abdur Rashid Ghazi die Einführung der Scharia in ganz Pakistan gefordert, Razzien in Internetcafés und Videotheken organisiert und schließlich sogar mehrere Chinesinnen wegen angeblicher Prostitution gekidnappt - was zu schweren Verstimmungen mit Peking führte.

Der 46-jährige Aziz ist der älteste Sohn des radikalen Predigers Maulana Abdullah. Als Sechsjähriger folgte er dem Vater aus der Heimat Balutschistan nach Islamabad, wo Maulana Abdullah 1966 zum Imam der Lal Masjid bestimmt wurde. Unter Abdullahs Führung und dank seiner Freundschaft sowohl zu Pakistans Militärdiktator Zia-ul-Haq wie zu Al-Qaida-Chef Ussama Bin Laden entwickelte sich die Rote Moschee in den 80er-Jahren zu einem Zentrum für Dschihadisten, die im benachbarten Afghanistan die sowjetischen Truppen bekämpften. Abdullah selbst fiel schließlich den Kämpfen zwischen rivalisierenden religiösen Gruppen zum Opfer: Er starb 1990 bei einem Attentat.

Abdul Aziz, den seine Anhänger gern mit dem Talibanführer Mullah Omar vergleichen, nahm nach dem Tod seines Vaters dessen Platz in der Roten Moschee ein. 2005 wurde er jedoch entlassen, nachdem er eine Fatwa gegen pakistanische Soldaten erlassen hatte, die in den Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan die Taliban bekämpften. Seitdem gelten Moschee und Koranschulen als illegal besetzt. Den Spagat, den Aziz Vater zwischen den politisch Mächtigen und den religiösen Institutionen erfolgreich gemeistert hatte, schafften seine als äußerst emotional bekannten Söhne nicht. Immerhin rief Aziz gestern schließlich im pakistanischen TV dazu auf, dass sich die noch im Gebäude verschanzten SchülerInnen ergeben sollten, während sein als noch militanter bekannter Bruder Rashid auf dem Gelände der Roten Moschee ausharrte. Die Märtyrer-Rolle dürfte Aziz damit an seinen Bruder abgegeben haben - selbst wenn die Geschichte mit der Burka nicht stimmt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!