Pakistan: Politischer Kuhhandel um die Zukunft
Expremierministerin Benazir Bhutto einigt sich angeblich mit dem bedrängten Militärmachthaber Pervez Musharraf. Die USA stehen hinter der Machtteilung.
DELHI taz Der bedrängte pakistanische Militärmachthaber Pervez Musharraf scheint sich auf einen Kuhhandel einzulassen, um an der Macht zu bleiben. Schon seit Monaten verhandelt er mit Expremierministerin Benazir Bhutto, die nach Musharrafs Machtnahme 1999 das Land freiwillig verlassen hat, über ihre Rückkehr nach Pakistan und eine Teilung der Macht. Das Abkommen sei zu 80 bis 90 Prozent abgeschlossen, erklärte die Politikerin am Mittwoch in London. Es müssten nur noch Fragen geklärt werden "bezüglich der Machtverteilung zwischen Präsident und Parlament". Der Deal sieht vor, dass Musharraf sein Amt als Militärchef räumt und sie im Gegenzug bei Parlamentswahlen für das Amt der Premierministerin antreten darf. Dafür sollen alle Korruptionsvorwürfe gegen sie und dutzende Parlamentsabgeordnete fallengelassen werden, Musharraf soll Präsident bleiben dürfen. Sie sei "sehr erfreut, dass General Musharraf entschieden hat, auf das pakistanische Volk zu hören und die Uniform auszuziehen", sagte Bhutto.
Davon wollte der Militärmachthaber jedoch am gestrigen Donnerstag nichts wissen. Ein Regierungssprecher in Islamabad erklärte, Musharraf lehne "jeglichen Druck oder ein Ultimatum" in dieser Frage ab. Er werde alle Entscheidungen "im nationalen Interesse" und "zu gegebener Zeit" treffen. Doch Beobachter in Pakistan bestätigen, beide Seiten stünden kurz vor dem Abschluss des Abkommens.
Musharraf gerät immer mehr in Bedrängnis. Erst am Mittwoch hat das Oberste Gericht des Landes eine Klage gegen seine Doppelrolle als Militärchef und Präsident zugelassen. Sie stammt von Qazi Hussain Ahmed, der Pakistans wichtigstes Islamistenbündnis Muttahida Majlis-e-Amal (MMA) anführt. Der Vorwurf: Nach Militärvorschriften habe Musharraf sein Amt als Oberbefehlshaber der Armee schon 2001 abgeben müssen.
Dasselbe Gericht hatte erst vor einer Woche angeordnet, dass Ex-Premier Nawaz Sharif wieder in das Land einreisen darf. Ihn hatte Musharraf bei seinem Staatsstreich vor acht Jahren unter dem Vorwurf der Korruption aus dem Amt gejagt und ins Exil nach Saudi-Arabien verbannt. Sharif kündigte daraufhin in einem Interview an, in Kürze nach Pakistan zurückzukehren. Er werde eine Kampagne anführen, um Musharraf zu stürzen. Dementsprechend zeigte sich der Politiker über den Vorstoß seiner Erzrivalin brüskiert. Bhuttos Versuch eines Deals mit Musharraf sei eine "klare Verletzung" einer Vereinbarung zwischen den beiden Ex-Premiers, "keine Abkommen mit Militärdiktatoren" zu treffen.
Das Zweckbündnis Bhuttos mit Musharraf ist sehr wahrscheinlich: Es hätte den Segen von Pakistans größtem strategischem Partner, den USA. Denn mit dem Militärmachthaber verbindet die Politikerin ihre prowestliche Haltung. Sharif hingegen steht mit seiner Pakistan Muslim League (Nawaz Group) den islamistischen Parteien nahe, mit denen er kürzlich neue Allianzen auslotete. Nur wenige Monate vor seinem Sturz hatte er versucht, in Pakistan das islamische Rechtssystem, die Scharia, einzuführen. SASCHA ZASTIRAL
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