Pakistan: Selbstmord-Terror hilft Musharraf

Die Gewalt im Nordwesten nimmt zu: Musharraf könnte die Unruhen nutzen, um sich per Notstandsdekret an der Macht zu halten. Denn inzwischen kündigt auch Ex-Premier Bhutto ihre Rückkehr an.

Die USA halten zum Militärherrscher: US-Vizeaußenminister Negroponte und Musharraf Bild: reuters

DEHLI taz Bei einem Anschlag in einem streng gesicherten Armeelager kamen am Donnerstag 20 Angehörige einer Spezialeinheit ums Leben. Ein Selbstmordattentäter hatte in der Stadt Tarbela rund 70 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Islamabad sein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug in die Kantine des Camps gesteuert. Die meisten der Getöteten seien Offiziere gewesen, hieß es aus Armeekreisen. "Nur al Kaida ist in der Lage, so einen waghalsigen Anschlag mit solch einer Präzision durchzuführen", sagte ein Geheimdienst-Offizier.

Es ist das zweite Mal innerhalb kurzer Zeit, dass es militanten Islamisten gelungen ist, Armeeangehörige in einem Sicherheitsbereich zu töten: Erst vor zwei Wochen hatten sich zwei Selbstmordattentäter in der Stadt Rawalpindi in unmittelbarer Nähe des Hauptquartiers der pakistanischen Armee in die Luft gesprengt und dabei 25 Menschen getötet.

Die Attentäter stammen vermutlich aus dem Nordwesten des Landes. Dort haben islamische Extremisten erst kürzlich eine Kampagne gestartet, um die Region in einen Gottesstaat nach Vorbild Afghanistans unter den Taliban zu verwandeln. Vor einer Woche entführten Unbekannte zwei Frauen und enthaupteten sie. Der Vorwurf: Sie seien Prostituierte gewesen. Es war der erste Übergriff dieser Art. Zudem bedrohen sie Friseure, die ihre Kunden entgegen orthodoxer islamischer Sitte rasieren. Auch Händler, die in ihren Geschäften Musik und Filme verkaufen, riskieren ihr Leben: Bei einer riesigen Detonation auf einem Markt in der Stadt Mangora vor einer Woche wurden Dutzende solcher Geschäfte zerstört. Menschen kamen dabei nicht zu Schaden. Ende August gelang es den Extremisten auch, etwa 260 pakistanische Soldaten gefangen zu nehmen.

Die Zunahme islamistischer Gewalt in seinem Land könnte Militärmachthaber Musharraf dennoch sehr gelegen kommen: Er könnte sie zum Anlass nehmen, den Notstand zu verhängen und das Land mit diktatorischen Vollmachten zu regieren. Denn noch nie hatte der Armeechef so viel Widerstand gegen seine Herrschaft wie heute. Im März hatte er den Obersten Richter des Landes suspendiert. Daraufhin kam zu Massenkundgebungen für ein Ende der Militärherrschaft. Im Juli erklärte das Gericht die Suspendierung für ungültig und setze den Richter wieder ein. Musharraf hat sich damit in der bis dahin weitgehend loyalen pakistanische Justiz viele Feinde gemacht.

Mitte August erklärte das Gericht, der 1999 von dem Militärmachthaber gestürzte und ein Jahr später ins Exil verbannte Ex-Premier Nawaz Sharif dürfe wieder ins Land einreisen. Als der Politiker am Montag tatsächlich in Islamabad landete, wurde er auf dem Flughafen festgesetzt und nach wenigen Stunden nach Saudi Arabien abgeschoben. Die Vertreter des Gerichts tobten und kündigten Schritte gegen die Regierung an.

Inzwischen hat auch die frühere pakistanische Premierministerin Benazir Bhutto ein Datum für ihre Heimreise aus dem Londoner Exil bekannt gegeben. Sie werde am 18. Oktober von London aus in die südpakistanische Hafenmetropole Karatschi fliegen, so Bhuttos Stellvertreter und Vizechef der Pakistanischem Volkspartei (PPP), Makhdum Amin Faheem, am Freitag in der Hauptstadt Islamabad. "Sie wird wahre Demokratie im Land wiederherstellen."

Bhutto war 1999 nach Androhung eines Korruptionsverfahrens ins Exil gegangen und lebte danach in London und Dubai. Zwischen 1988 und 1996 stand die heute 54-Jährige zweimal an der Spitze der Regierung. Bhutto und Musharraf hatten in den vergangenen Monaten über eine Unterstützung der PPP für eine Wiederwahl Musharrafs verhandelt. Der Militärmachthaber sollte im Gegenzug Korruptionsvorwürfe gegen Bhutto fallenlassen und ihr mit einer Verfassungsänderung eine dritte Amtszeit als Premierministerin ermöglichen. Bislang brachten die Gespräche keine Einigung. Musharraf will weiterhin Armeechef bleiben, was Bhutto ablehnt.

Die Zeit wird knapp für Musharraf: Bis Mitte Oktober muss er sich im Amt des Präsidenten bestätigen lassen. Da er sich aber nur mit maßgeschneiderten Parlamentsbeschlüssen seiner PML(Q)-Partei bis heute im Amt halten konnte, wäre eine Verfassungsänderung für eine weitere Amtszeit notwendig. Die jedoch würde das Oberste Gericht mit Sicherheit kassieren.

Von einer Verhängung des Notstandes haben Musharraf bislang die USA abgehalten. Doch angesichts der offenkundigen Schwäche ihres Alliierten könnten sie von ihrer Position abkommen und Musharraf auch dabei unterstützen. Denn ein Sturz des Präsidenten-Generals und freie Wahlen könnten eine weniger prowestliche Regierung zu Tage fördern. Dementsprechend weigerte sich der stellvertretende US-Außenminister John Negroponte bei seinem Treffen mit Musharraf am Mittwoch in Islamabad, die Abschiebung Sharifs zu verurteilen: Es handele sich dabei um eine "innere Angelegenheit" Pakistans. Zu pakistanischen Journalisten sagte er: "Ihr Land bleibt ein wertvoller Alliierter im Kampf gegen den Terror." Zugleich kündigte er an, die USA würden Musharraf 750 Millionen Dollar für ein Wirtschatsförderungsprogramm für die unruhigen Nordwest-Provinzen bereitstellen.

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