piwik no script img

Pakistan nach dem Bhutto-AttentatAl-Qaida feiert "ersten großen Sieg"

US-Behörden machen Al-Qaida-Vize Sawahiri für den Mord an der pakistanischen Oppositionellen Bhutto verantwortlich. Ist das Netzwerk zu großen Anschlägen noch in der Lage?

Abschied von Benazir Bhutto: Ihr Leichnam wird zur Trauerfeier gebracht Bild: ap

DELHI taz Nach den tödlichen Schüssen auf Benazir Bhutto dauerte das Rätselraten über die Identität der Attentäter nicht lange. Nur wenige Stunden nach dem Tod der 54-jährigen Oppositionsführerin meldete ein pakistanischer Privatsender, al-Qaida habe sich zu den Anschlägen bekannt. Die Zeitung Asia Times berichtete, der Chef des Terrornetzes in Afghanistan, Mustafa Abu al-Yazid, habe den Mord in einem Telefonat als "ersten großen Sieg" über die Verbündeten des Westens in Pakistan bezeichnet. Unterdessen wollen die US-Bundespolizei FBI und die US-Heimatschutzbehörde auf islamistischen Webseiten die Nummer zwei des Terrornetzwerks, Aiman al-Sawahiri, als Verantwortlichen ausgemacht haben. Die pakistanische Regierung selbst nannte am Freitagabend dagegen den regionalen al-Qaida-Chef Baitullah Mehsud als Hintermann des Attentats.

Doch was ist von al-Qaida eigentlich geblieben? Die Ausbildungslager der Organisation im Afghanistan aus den Zeiten der Taliban sind schon lange geräumt. Ussama Bin Laden meldet sich nur hin und wieder aus dem Untergrund und droht dem Westen, mal erschöpft, mal in fast messianischer Pose, mit weiteren Angriffen. Dabei ist al-Qaida, wie sich die Beobachter einig sind, gar nicht mehr dazu in der Lage, groß angelegte Operationen durchzuführen. Geblieben von dem Terrornetzwerk ist nur der weltbekannte Markenname.

Schwieriger wird es bei der Rolle des pakistanischen Sicherheitsapparats. Schon am Tag des Anschlags deuteten einige Finger auf Staatspräsident Pervez Musharraf und seinen Geheimdienst ISI. Benazir Bhutto selbst trieb diese Spekulationen noch nach ihrem Tod voran. Der US-Nachrichtensender CNN verlas eine Botschaft, die Bhutto dort für den Fall ihres gewaltsamen Todes hinterlegt hatte. Darin klagt sie Musharraf an, er habe zu wenig für ihre Sicherheit getan. Er habe sich geweigert, ihr eine Eskorte aus vier Polizeiwagen mit Funkstörgeräten gegen ferngezündete Bomben an die Seite zu stellen.

Tatsächlich profitiert Musharraf von Bhuttos Tod nur in begrenztem Maße. Zwar ist er eine Bedrohung losgeworden, doch kommt ihm mit Bhutto auch das demokratische Feigenblatt abhanden, mit dem er der Alleinherrschaft des pakistanischen Militärs zumindest den Anschein eines demokratisch legitimierten Staates hätte geben können. Und auch er selbst ist in den vergangenen Jahren immer wieder Angriffsziel der Islamisten geworden. Einmal retteten ihm solche Funkstörgeräte, die er Bhutto verweigert hatte, das Leben.

Dennoch trägt Musharraf Mitschuld an dem Krieg der Islamisten gegen die pakistanische Bevölkerung. Die vielen kleinen Terrorgruppen, die im indischen Teil Kaschmirs und in anderen Landesteilen Indiens für Unruhe sorgen, erhielten bis vor wenigen Jahren Geld aus Pakistan und wurden vom pakistanischen Geheimdienst unterstützt. Zu Beginn seiner Herrschaft verteidigte Musharraf die Gruppen noch als "Freiheitskämpfer" und lehnte es ab, gegen ihre Tätigkeit auf pakistanischem Gebiet vorzugehen. Erst nach dem 11. September 2001 wurde der Druck vor allem der USA zu groß. Musharraf verbot die Gruppen und ließ ihre Anführer festnehmen. Aus dem isolierten Diktator wurde ein wichtiger Alliierter der USA. Fragen nach einer Demokratisierung wurden fortan ausgeklammert.

Musharraf ging jedoch nie wirklich entschlossen gegen die Fanatiker in seinem Land vor, weder gegen die islamistischen Gruppen noch gegen die Stammesmilizen im Nordwesten, die sich zunehmend einem radikalen Islam zuwandten. Vielleicht kam Musharraf gegen die Verbindungen der Islamisten zum mächtigen Geheimdienst nicht an, vielleicht versuchte er es erst gar nicht. Die im Jahr 2002 verhafteten Anführer waren schon bald wieder frei und gründeten neue Terrorgruppen. Afghanistan wirft seinem Nachbarn Pakistan vor, nicht entschieden gegen die Taliban und andere islamistische Gruppen in seinen Nordwestprovinzen vorzugehen.

Dass die Islamisten dem pakistanischen Staat den Krieg erklärt haben, dürfte Musharraf noch eine ganze Weile Kopfzerbrechen bereiten. Eine realistische Chance, die Macht an sich zu reißen, haben die Fanatiker allerdings nicht. Die Mehrheit der Pakistanis kann mit den Ideen eines radikalen Islamismus nur wenig anfangen. Doch ganz gleich, welche Gruppe aus dem Umfeld von Staat, Geheimdienst und radikalen Klerikern hinter dem Anschlag steckt: Benazir Bhutto hat für Musharrafs Zurückhaltung gegenüber den islamistischen Terroristen mit dem Leben bezahlt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • S
    Stephan

    Wie kann es sein, dass Frau Bhutto in einem Interview geäußert hat, dass Bin Laden tod sei? - Dieses Interview ist vom BBC am 02.11.07 ausgestrahlt worden, freilich ist die Bemerkung über Bin Ladens Ermordung gerausgeschnitten worden:

     

    Hier ein Vergleich von Originalaufnahme und zensierter BBC-Version dieser Stelle:

    http://www.youtube.com/watch?v=ZMiuFx6rQbE

     

    Hier das komplette vom BBC verbreitete Interview:

    http://www.youtube.com/watch?v=oIO8B6fpFSQ

     

    Schon klar, dass Frau Bhutto sehr gefährlich gelebt hat.

  • S
    S.R.M.

    Also immer wieder diese Fata Morgana "Al Kaida".

    Selbst die TAZ betet das US-Gewäsch jetzt nach.

    Vielleicht fangen Sie mal an zu recherchieren wer am meisten von dem Phantom "Al Kaida" profitiert?

     

    Herzliche Grüße