piwik no script img

PagodenstreitEine Frage des Geschmacks.

Eigentlich möchte der wohlhabende Hamburger Jürgen Hunke dem Ostsee-Ort Timmendorfer Strand ein Geschenk machen: ein asiatisch anmutendes Teehaus. Der Gemeinderat ist mehrheitlich dafür, aber nicht allen Timmendorfern gefällt die Idee.

Jürgen Hunke will dem Ostseebad Timmendorfer Strand ein asiatisches Teehaus schenken. Bild: Sven-Michael Veit

Nein, von einem "asiatischen Micky-Maus-Haus" könne keine Rede sein, versichert Jürgen Hunke. "Das wird hoch ästhetisch werden." Ein Teehaus auf dem Wasser schwebt ihm vor, "mit viel weißem Glas und weißen Wänden", abends "diskret mit warmem Licht angestrahlt". "Das Haus", schwärmt er, "soll sich mit dem Meer verbinden."

Jürgen Hunke ist wohlhabend, sehr wohlhabend. Er will dem Ostseebad Timmendorfer Strand ein Teehaus auf einer neuen Seebrücke schenken, gute 100 Meter vor dem Strand. Die Gemeinde muss die marode Brücke ohnehin erneuern, er will den zweistöckigen Pavillon mit dem pagodenähnlichen Dach bezahlen. Nach seinem Tod - oder in spätestens 25 Jahren - gehe das Haus in den Besitz der Gemeinde über, sagt Hunke. Etwa 1,2 Millionen Euro will er sich "meine Spende an die Timmendorfer" kosten lassen - "warum sollten die das nicht wollen?"

"Weil das nicht hierher passt", sagt Mike Weber. Der Jurist ist einer von drei Vertrauensleuten einer Initiative gegen das Projekt. Gegen Gastronomie auf einer neuen Seebrücke habe er nichts, sagt der 35-Jährige: "Aber doch nicht so. Das ist hier Ostsee, nicht Ostasien."

Und deshalb können die Leute aus Timmendorf am Sonntag in einer Woche bei einem Bürgerentscheid abstimmen. Die Frage: "Sind Sie dagegen, dass ein Teehaus in asiatischer Bauform auf einer Seebrücke in der Gemeinde Timmendorfer Strand gebaut wird?". Wenn mehr als 20 Prozent der 7.664 Wahlberechtigten - also mindestens 1.533 - und zugleich die Mehrheit der Abstimmenden mit Ja votiert, ist das Projekt abgelehnt. "Das schaffen wir", sagt Weber.

"Das Schlagwort heißt: Mehr direkte Demokratie"*

Timmendorfer Strand ist seit 1999 der Zweitwohnsitz des Hamburgers Jürgen Hunke. Als Versicherungsmakler ist der reich geworden, Präsident des Hamburger SV war er von 1990 bis 1993, Eigentümer der Hamburger Kammerspiele, die er vor dem finanziellen Ruin rettete und komplett renovierte, ist er seit 1994. Als Finanzier und Spitzenkandidat der bürgerlichen Protestgruppierung Statt-Partei diente sich Hunke 2001 als "stärkste Korsettstange für Ole von Beust" im Hamburger Rathaus an. Er musste draußen bleiben, das Stützen übernahm drinnen die Schill-Partei.

Seither ist der 67-Jährige "unabhängiger, selbstbestimmter Privatier" sowie Verleger und Galerist fernöstlicher Kunst. Deutschlands größte Buddha-Sammlung präsentiert Hunke in fünf Galerien in Hamburg, Berlin und Timmendorfer Strand. Dort hat der "bekennende Lutheraner mit einem Faible für die buddhistische Philosophie", wie Hunke sich selbst beschreibt, 2004 eine baufällige öffentliche Lesehalle auf eigene Kosten saniert. "Mikado Garden Kunst + Buch", an der Strandpromenade - zweistöckig mit Reetdach, umgeben von Wassergräben, asiatischen Brücken und einem Garten voller Buddhas. Er betreibe das als Künstler, sagt Hunke, "nicht als Kaufmann". Verdient habe er damit "noch keinen Cent".

In einer mehr als geräumigen Villa in Weiß, Schwarz, Rot und Glas residiert er direkt am Meer. Die Straßenfront zieren diverse Garagen für seine Sammlung von Luxusautos, ein Gang führt durch zwei von außen nicht einsehbare Innenhöfe zum Haus. Der eine Innenhof ist Yin, der stille Hof, mit Steingarten, Wasserbecken und Springbrunnen. Der andere ist Yang, der lebhafte: Hier sitzt man und plaudert und grillt. Das Anwesen sei weder japanisch noch chinesisch, "und Feng Shui eigentlich auch nicht", sagt Hunke: "Das ist mein Wohlfühlhaus."

Vor zehn Jahren schon gab er in seinem Hamburger Mikado-Verlag ein Buch zu diesem Thema heraus: "Wohlfühlen. Der Megatrend". Um Essen geht es darin, um Wohnen, um Gesundheit, und auch um bürgerschaftliches Engagement. "Im Mittelpunkt des Buches", heißt es auf dem Einband, stünden "Bürger, die sich nicht mehr von Politik bevormunden und von Bürokratie gängeln lassen".

"Verdrossenheit herrscht über politische Prozesse,

an denen der Bürger scheinbar nicht teilhaben kann"*

Die Teehausbrücke sei "in einem völlig intransparenten Verfahren" entstanden, kritisiert Mike Weber von der Gegner-Initiative. Hunke und Bürgermeister Volker Popp hätten "das alles ausgekungelt". So sei in einem "Letter of Intent", den die beiden unterschrieben, zum Beispiel nur von einer "überwiegenden öffentlichen Nutzung" der Seebrücke die Rede, sagt Weber. Vielleicht werde Hunke später die Öffentlichkeit ausschließen, "und am Ende stellt der noch überall Buddhas auf die Brücke".

Bürgermeister Volker Popp kann Webers Kritik nicht nachvollziehen. Die Gemeindevertretung habe sich mehrfach mit dem Vorhaben beschäftigt und am 25. März 2010 dem "Letter of Intent" zugestimmt. Außerdem enthalte diese zwischen der Gemeinde und Hunkes Mikado-Verlag geschlossene Absichtserklärung eine Ausstiegsklausel, eine rechtswirksame vertragliche Bindung gebe es noch gar nicht. Auch fertige Baupläne liegen noch nicht vor, nur Architekturskizzen. Erst am 8. September will der Bauausschuss der Gemeinde sich detailliert mit den Planungen befassen - sofern die Bürger vorher für das Projekt gestimmt haben.

Und selbstverständlich sei die 36 mal 16 Meter große Plattform am Kopf der Brücke "öffentlich", sagt Popp, während das von Hunke finanzierte Teehaus als gewerblicher Betrieb lediglich "allgemein zugänglich" sei. Für das Vorhaben geworben hat der parteilose Bürgermeister durchaus: Es sei "architektonisch ein belebender Kontrapunkt".

Und den wollen Popp und die Mehrheit im Gemeinderat aus CDU, Unabhängigen Bürgern und FDP sich was kosten lassen. Auf 1,7 Millionen Euro wird der Neubau der Seebrücke veranschlagt. "Die alte ist abgängig", sagt der 59-Jährige, "sanieren geht nicht mehr." Die Plattform für das Teehaus indes müsste die Gemeinde zusätzlich aufbringen. Das würde nochmals 600.000 Euro kosten, und die sind ein veritabler Streitpunkt.

Popp spricht von "gut investiertem Geld", um die touristische Anziehungskraft des Ortes zu steigern: "Wir müssen dranbleiben, wenn wir weiter attraktiv sein wollen." Timmendorfer Strand ist eines der größten Ostseebäder in Schleswig-Holstein und lebt fast ausschließlich vom Tourismus.

SPD und Grüne im Gemeinderat dagegen finden "den Preis zu hoch" und hätten gern ein anderes Finanzierungsmodell. Das Teehaus könne "ein Hingucker werden", räumte die SPD vorige Woche nach einem Gespräch mit Hunke ein. Das Geld aber sei für "Kinder, Jugendliche oder Sozialfälle" besser eingesetzt.

"Die Ansprüche auf breitere Teilhabe werden nicht länger ignoriert werden können"*

Mike Weber hält die 600.000 Euro schlicht für rausgeschmissenes Geld. Er moniert, dass es "kein Alternativmodell gibt". Hunke wolle bestimmen, was gebaut werde - ob die Menschen im Ort das wollten oder nicht. Von einem Ideenwettbewerb für die Gestaltung des Brückenkopfes oder einer Architektenausschreibung sei keine Rede. Die Teehausbrücke, in unmittelbarer Nähe zu Hunkes Villa und der Mikado-Galerie, sagt Weber, "ist doch nur noch ein Mosaikstück in seinem Selbstinszenierungsensemble".

Es gehe ihm "um die Idee", antwortet Hunke: "Ich habe kein Problem mit dem Geben." In einer Postwurfsendung an alle Haushalte hat er jetzt für sein Projekt geworben: "Ich engagiere mich gern für das Gemeinwesen. Ich mache diese Dinge aus Überzeugung, da mein politisches Denken auf dem Grundsatz beruht, dass unsere Demokratie nur durch persönliches Engagement und gemeinnütziges Handeln zu verbessern ist."

Hunke räumt ein, dass die Teehaus-Idee "am Anfang vielleicht nicht optimal kommuniziert" worden sei. "Aber ich habe wirklich gedacht, das ist ein Selbstläufer." Wenn nun aber am 5. September die Mehrheit der Timmendorfer das Projekt ablehnen sollte, werde er "nicht beleidigt" sein: "Ich werde mich aber", sagt Hunke, "auch nicht entmutigen lassen."

Einig sind sich alle - Mäzen Hunke, Bürgermeister Popp und Kritiker Weber - nur in einem Punkt: Ein asiatisches Teehaus auf einer Seebrücke in einem Ostseebad "ist wohl eine Frage des Geschmacks".

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!