PUTIN NÜTZT SICH SELBST, WENN ER SICH IN SERBIEN NÜTZLICH MACHT: Gekonnter Opportunismus
Angesichts der schwachen Figur, die Russlands Präsident nach dem Untergang des Atom-U-Bootes „Kursk“ abgibt, zeigt seine Beliebtheitskurve nach unten. Zudem deuten jüngste Untersuchungen darauf hin, dass er sein ausgezeichnetes Abschneiden bei der Präsidentenwahl massiven Stimmmanipulationen zu verdanken hatte.
So ist der Präsident dringend darauf angewiesen, sich zumindest im Ausland als wichtigen Staatsmann aufzuwerten: Am Wochenende hat Putin endlich explizit Position gegen Milošević bezogen, nachdem er bei Schröders Besuch letzte Woche noch vielsagend geschwiegen hatte. Die jüngsten Äußerungen des russischen Präsidenten waren ganz offenbar mit den westlichen Regierungen abgestimmt.
Nicht jedoch mit Serbien: Putins Vorschlag, Außenminister Iwanow als Vermittler nach Belgrad zu schicken, war mit der jugoslawischen Regierung nicht abgesprochen und für diese ein Affront. Gleichzeitig nimmt Putin Milošević ein wichtiges Argument gegen seinen Hauptkonkurrenten: Serbiens Noch-Präsident wird Koštunica nicht als Agenten des Westens und der Nato anklagen können, wenn sein Opponent von jenem ausländischen Präsidenten unterstützt wird, der einst am vehementesten gegen die Nato-Bombardements Serbiens protestierte.
Putins Seitenwechsel ins westliche Lager ist ihm möglich, weil selbst die russischen Rechten ihm seine Parteinahme nicht verübeln können, vertritt doch auch Milošević-Gegner Kostunica eine orthodox-patriotische Strömung im serbischen Brudervolk.
Bisher hat der Kreml zwei der übelsten Tyrannen der Welt die Stange gehalten: Slobodan Milošević und Saddam Hussein. Eine dieser beiden Stangen ist jetzt zerbrochen. Die in der russischen Presse laut werdenden Spekulationen über ein mögliches Asyl Milošević’ in Russland sind daher abwegig. Milošević könnte höchstens auf dem Wege ins Exil in Moskau Halt machen, um über die zweite Stange nach Bagdad zu balancieren.
BARBARA KERNECK
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