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PROZESS UM ILLEGAL GEHANDELTEN KAVIARLebensmittelskandal de Luxe

Ein Bremer Kaviarhändler ist wegen 118 Verstößen gegen das Naturschutzgesetz angeklagt. Ihm fehlten Herkunftsnachweise für das Schwarze Gold

Ein junger Zuchtstör: Im Kaspischen Meer ist der Fisch fast ausgestorben, deshalb werden Störe aus Sibirien überall in Europa gezüchtet - das Geschäft lockt. Bild: dpa

Fast eine Stunde dauerte es, bis die Staatsanwältin die Anklageschrift verlesen hat. 118 Verbrechen gegen das Bundesnaturschutzgesetz werden Herrn G. vom Bremer Amtsgericht zur Last gelegt. Zwischen 2002 und 2008 soll er mit Kaviar gehandelt haben, dessen Herkunft er nicht nachweisen konnte. Da alle Störarten aber unter dem Washingtoner Artenschutzabkommen stehen, ist der Handel mit dem Fisch und seinen begehrten Eiern nur mit besonderer Genehmigung erlaubt. Aus einer bloßen Ordnungswidrigkeit wird dabei ein Straftatbestand, wenn gewerbsmäßig gegen das Gesetz verstoßen wird.

Aus Russland zwei Dosen Beluga Kaviar à 250g, sechs Dosen Sevruga Kaviar aus dem Iran à 50g. 150 Euro. 500 Euro. 900 Euro. Die Liste mit Verkäufen ist lang, der Warenwert vermutlich sechsstellig. In seinem Bremer Feinkostladen und über das Onlineauktionshaus Ebay hat der 29-jährige Beschuldigte bundesweit Restaurants, Hotels und Privatpersonen mit dem Schwarzen Gold beliefert, darunter auch das luxuriöse Münchner Kempinski Hotel Vier Jahreszeiten. Und zwar ohne lückenlos nachweisen zu können, ob der Kaviar aus zugelassenen Wildfängen oder Zuchtbetrieben stamme, wie ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft. "Unerfahren und unwissend" sei sein Mandant gewesen, als er sich in dieses "Haifischbecken" begeben habe, sagte sein Verteidiger. Mit 18 Jahren übernahm G. das Geschäft seines Vaters, nach dessen Tod. Doch auch der hatte erst ein paar Monate lang mit Kaviar gehandelt. Nebenbei machte G. Abitur, leistete seinen Zivildienst ab und fing an, Global Management an der Hochschule Bremen zu studieren. 2004 hatte er sich an die Verantwortliche für Artenschutz in Bremen gewandt, weil Ebay begann, die in seinen Onlineauktionen angebotene Artikel vermehrt auf die Einhaltung der Artenschutzbestimmungen hin zu überprüfen.

Er sei auf der Suche nach Lieferanten auch an Betrüger geraten, sagt G. vor Gericht. Unter anderem aus Lettland. Monatelang habe er vergeblich auf Herkunftsnachweise von dort gewartet. Nachdem es dann im Jahr 2006 zu einer ersten Hausdurchsuchung gekommen war, habe er er sich nur noch an den Kaviarlieferanten "Caspian Tradition" aus Belgien gehalten, dem einst schon der Vater vertraut habe. "Die sind nicht irgendeine Firma, sondern eine der vier größten in Europa." Sie seien demnach seriös, so der Angeklagte.

Doch auch bei dem belgischen Lieferanten gab es Probleme mit dem Herkunftsnachweis. G. hat für den Prozess einen Großteil der fehlenden Nachweise rekonstruiert und aufwändig zusammengesammelt. Die notwendige Buchführung über An- und Ablieferung der Kaviardosen, die täglich per Hand protokolliert werden musste, hatte G. irgendwann eigenhändig "vereinfacht". Zu sehr: Es müsse genau nachvollzogen werden können, aus welchem Fang jede einzelne der verkauften Dosen stamme und an wen exakt sie geliefert wurde, so die Verantwortliche für Artenschutz bei dem Bremer Umweltressort vor Gericht.

Beim Zoll muss er insgesamt 21.000 Euro nachzahlen. Beim Amtsgericht wird ein Großteil der Fälle eingestellt werden. Im schlimmsten Fall droht Herrn G. eine Bewährungsstrafe.

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