PROTEST: Picknick am Deich
Der Frust über den schwarz-gelben Rollback in der Atompolitik ist groß. Allein aus Bremen starten morgen 20 Busse zur 120 Kilometer langen Anti-Atom-Menschenkette zwischen den AKW Brunsbüttel und Krümmel
Bei Nummer 13 ist nun wirklich Schluss, sagt Anne Peper. Zwischen Kisten voller Flugblätter, Trillerpfeifen und Buttons und einem Haufen Fahnen "Abpfiff für Atomkraft" steht sie im Büro des Bremer BUND. 13 Busse zur spektakulären Anti-Atom-Menschenkette nach Glückstadt hat die BUND-Mitarbeiterin für Samstag gebucht, zusammen mehr als 700 Plätze. Donnerstagnachmittag waren sie alle weg.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat angekündigt, Reaktoren länger laufen zu lassen. Mehr Atomstrom, mehr Atommüll, mehr Atomrisiko - das weckt den Unmut vieler. Fünf Busse sollten es zunächst werden, erzählt Peper. Doch allein zur "Probe-Menschenkette" zum Auftakt der Aktion kamen vor zwei Wochen 300 Leute auf den Bremer Marktplatz. Peper buchte Bus Nummer sieben.
120 Kilometer lang soll die Menschenkette am Samstag werden, vom AKW Brunsbüttel an der Elbmündung bis zum AKW Krümmel südöstlich von Hamburg. Ein "mächtiges Signal zum richtigen Zeitpunkt", findet Adelheid Schulz, die zum BUND gekommen ist, um einen der Busplätze zu ergattern. Wie sie haben viele der BremerInnen, die zur Menschenkette reisen, sich schon vor Jahrzehnten gegen Atomkraft engagiert. Schulz etwa, heute Lehrerin, demonstrierte in den 70ern gegen den Bau des AKW Unterweser in Esenshamm, in den 80ern gegen das AKW Brokdorf. Sie protestierte in Gorleben gegen die Versuche, dort ein Atommüll-Endlager zu schaffen. Kurz vor der Wende reiste sie gar zur AKW-Baustelle ins ostdeutsche Stendal. Dort zumindest hat der Abriss der Reaktoren begonnen. Lange schien auch das Ende der AKW Brunsbüttel und Krümmel nicht mehr fern. Beide Reaktoren liegen wegen Störungen und Reparaturen seit drei Jahren still, beide sind technisch hoffnungslos veraltet. Nach der jüngsten Pannenserie in Krümmel ging im Sommer selbst die CDU auf Distanz.
Inzwischen reden Union und FDP fast täglich davon, wie das Abschalten der AKW verhindert werden könne. Sie planen, die Arbeiten in Gorleben wieder aufzunehmen, streichen Fördermittel für erneuerbare Energien und für Energieeffizienz. Dass es dazu nochmal kommt, sagt Schulz, während sie die Busfahrkarte einsteckt, "das habe ich nicht mehr für möglich gehalten."
Schulz ist nicht die einzige, der es so geht. Zeitweise, berichtet Peper, standen die InteressentInnen beim BUND regelrecht Schlange für die Bustickets. Gestern mittag ging die letzte Karte über den Tresen. Die Bremer Grünen, die mit vier Bussen anreisen, führen bereits Wartelisten, die SPD - je ein Bus aus Bremen und Bremerhaven - meldet "ausverkauft". Das Publikum: "von Jusos bis zu 60 plus". Studierende der Hochschule für Künste charterten haben gleich einen eigenen Bus, auch dort werden die Plätze inzwischen knapp.
Eine ausgeklügelte Logistik soll morgen sicherstellen, dass überall an der Strecke der Kette genügend Menschen stehen. AtomkraftgegnerInnen aus Bremen und Niedersachsen fahren daher nach Glückstadt. Allein für die BremerInnen sind dort auf dem Deich mehrere Kilometer reserviert. Nach Ankunft der Busse ist zunächst ein Picknick auf gelben Decken geplant - "für das Wir-Gefühl", wie Peper sagt.
Ein paar Hundert Stoffbänder liegen in ihrem Büro bereit um die Arme der DemonstrantInnen und damit die Menschenkette zu verlängern. Ob sie morgen überhaupt benötigt werden, ist offen. Die KettenorganisatorInnen jedenfalls schickten am Donnerstag eilige E-Mails: Die Busse der SPD und der Studierenden mögen doch bitte nach Brunsbüttel statt nach Glückstadt rollen. Dort gibt es, neben einem Konzert mit Jan Delay, vor allem eines: noch ein bisschen Platz.
SO GEHTS ZUR KETTE
Natürlich sollte man nicht allein per Auto hindüsen. Deshalb gibt es:
Busfahrkarten - solange Vorrat reicht - bei den Studierenden der Hochschule für Künste ( 01 78-20 16 425 oder bei Abakus, 79 49 351). Abfahrt 10 Uhr Goetheplatz, Ziel: Brunsbüttel, Kosten: 15/10 Euro.
Mitfahrbörse: www.anti-atom-kette.de/anreise/mitfahrgelegenheiten.html
Gemeinsame Fahrt mit Wochenendticket, Treff: 10.10 Uhr, Hbf, Ziel: Glückstadt. Die OrganisatorInnen raten wegen drohender Überfüllung der Züge von einer Anfahrt per Nahverkehrszug ab. (sim)
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