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PROGNOSTIZIERTER ENERGIEVERBRAUCH: WACHSTUM FRISST KLIMASCHUTZVersöhnung unmöglich

Marktwirtschaft und Umweltschutz sind grundsätzlich unvereinbar. Diese Interpretation seiner Energieprognose bis 2020 will der Mineralölkonzern Esso nicht hören. Eine zentrale Aussage der Studie läuft trotzdem darauf hinaus: Wirtschaftswachstum macht die Bemühungen um ökologische Erfolge weitgehend zunichte. Zwar werden der Energieverbrauch in Deutschland und die dabei entstehenden Abgase in den nächsten 20 Jahren sogar absolut zurückgehen – das Weltklima wirklich zu schützen wird damit jedoch nicht gelingen. Die Bundesregierung kann ihre Zusagen zur Verringerung des Kohlendioxidausstoßes wohl nicht einzuhalten. Treibhaus bleibt Treibhaus.

Die Ursache liegt nahe: Jahr für Jahr wächst die Summe der hergestellten Waren und Dienstleistungen. Bei ihrer gegenwärtigen Tagung in Lissabon peilen die europäischen Regierungen an, sich auf ein Wirtschaftswachstum von 3 Prozent jährlich zu verpflichten. In den nächsten 20 Jahren wird dadurch die Menge der produzierten Güter um 80 Prozent zunehmen. Mehr Computerfabriken brauchen zusätzlichen Strom; mehr Büros und Wohnungen benötigen zusätzliche Wärme. Dieses Wachstum frisst wesentliche Teile des Umweltschutzes wieder auf, der durch höhere Energieeffizienz – die bessere Ausnutzung von Energie – eigentlich ermöglicht werden könnte.

Aus dieser Situation gibt es heute keinen Ausweg. Alle Reden über die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie gehen letztlich an der Sache vorbei. Tatsächlicher Klimaschutz wäre nur zu erreichen, wenn das Wachstum – im Gegensatz auch zu den Plänen der rot-grünen Regierung – nicht stiege, sondern abnähme und die Gesellschaft sich in einem stabilen Zustand annähernden Nullwachstums einrichten würde. Danach sieht es aber überhaupt nicht aus. Denn in dieser Gesellschaftsordnung stellt das Wirtschaftswachstum eine Voraussetzung für steigende Gewinne der Unternehmen dar. Und die Gewinnmaximierung steht im Rang eines heiligen Prinzips. Außerdem liefert das Wachstum die Voraussetzung für den sozialen Zusammenhalt: Nur wenn die Gewinne ausreichen, sind die Eliten bereit, etwas abzugeben. Wachstum ermöglicht, dass die soziale Marktwirtschaft sozial sein kann. Wenn die Wirtschaftsleistung umgekehrt nicht wüchse, müssten Armutsbekämpfung, Sozialleistungen und bessere Bildung aus der Substanz der Vermögenden bezahlt werden. Das würde auf tatsächliche Umverteilung von Reichtum hinauslaufen – eine Möglichkeit, die in der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung nicht vorgesehen ist.HANNES KOCH

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