PRO: Bezirkliche Hausbesuche: Guter Plan mit mangelhafter Umsetzung
Der Plan des Bezirksamtes Hamburg-Mitte, frisch gebackenen Eltern einen Besuch abzustatten, ist eine im Grundsatz richtige und notwendige Idee.
D er Plan des Bezirksamtes Hamburg-Mitte, frisch gebackenen Eltern einen Besuch abzustatten, ist eine im Grundsatz richtige und notwendige Idee. Die sich auch in Norddeutschland häufenden Fälle von Kindesvernachlässigung schreien geradezu nach einem Frühwarnsystem. Und die Tatsache, dass die Besuche beim Einkommensmillionär wie beim Hartz IV-Empfänger stattfinden, verhindert soziale Diskriminierung.
Wer sich aus einem Tierheim eine Katze besorgt, bekommt oft automatisch nach ein paar Wochen Besuch, der nach dem Rechten schaut und bei Bedarf gute Tipps verteilt. Warum aber sollte das Wohl von Stubentigern besser kontrolliert werden als das von Kindern?
Die Hamburger Umsetzung des Besuchs-Programms aber hat zwei Kardinalfehler. Die Besuche erfolgen angekündigt, so dass den Besuchten genügend Zeit verbleibt, eine Situation zu inszenieren, die mögliche Probleme verbirgt. Und die Visiten werden nicht von speziell geschultem Personal durchgeführt, sondern von ehemaligen Klinikbediensteten. Wenn - wie bei der kleinen Lara aus dem zu Mitte gehörenden Stadtteil Wilhelmsburg - selbst eine gut ausgebildete Betreuerin Zeichen von Vernachlässigung nicht erkennen und ein Kind retten kann, wie sollen dann Fachfremde aus einer Stippvisite die richtigen Schlüsse ziehen?
Falsche Verdächtigungen auf der einen und übersehene Warnzeichen auf der anderen Seite drohen so zur Regel zu werden. Eine gute Idee wird damit in eine schlechte Tat verwandelt.
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