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PRESS-SCHLAG Weil die Funktionäre nicht mehr funktionieren, rebellieren immer mehr Vertreter des ProfisportsHoffen auf ein Wunder, nicht nur in der Fifa

Die Gelegenheit ist günstig, die Fifa geschwächt. Und auch die Uefa hat schon bessere Tage erlebt. Beide Fußballverbände haben durch Klientelwirtschaft und einen fragwürdigen Proporz den neoliberalen Zeitgeist nicht mehr so recht verstanden. Sie haben zwar der Wachstumsideologie gehuldigt und ihre Bilanzen beständig aufgebessert. Aber die Verbände haben es nicht mehr hinbekommen, sich schnell genug zu reformieren, sich anzupassen an einen Markt, der von einem Unternehmen, und sei es auch als gemeinnütziger Verein getarnt, verlangt, dass sich alle Beteiligten an klare Regeln halten.

Auch ein korruptionsanfälliges Großunternehmen wie Siemens ist nicht von einem Tag auf den anderen zum Compliance-Vorbild gereift, aber es gibt immerhin klare Vorgaben für unternehmerisch korrektes Handeln, eine interne Aufsicht und den Willen zum Personalwechsel, sollten sich die alten Entscheider neuen Ideen sperren. Die Fifa hat den Strukturwandel vernachlässigt, weswegen nicht nur an den Rändern der Fußballgemeinde darüber nachgedacht wird, eine Konkurrenz zur Fifa zu etablieren. Noch ist das reine Utopie, und wahrscheinlich wird sie das bleiben, wenn der Leidensdruck der über 200 Fifa-Mitgliedsverbände nicht noch schnell ansteigt, aber über Alternativen zur Fifa wird zumindest nachgedacht. Nicht nur bei Ultras, sondern auch in Fußball-Ligaverbänden, die den Profifußball vertreten.

So hat der Chef der Deutschen Fußball-Liga (DFL), Christian Seifert, neulich in einem Interview mit der Zeit durchscheinen lassen, wem in Zukunft alle Macht im Fußball gehören könnte. „Wenn sich der professionelle Fußball aus irgendwelchen Gründen entscheiden würde, keine Spieler mehr für ein Turnier abzustellen“, dann wäre bei der Fifa ganz schnell das Licht aus, hat Seifert eine freundliche Drohung nach Zürich ins Home of Fifa gesandt. Die DFL steht damit für einen Trend im europäischen Sport.

Die Vertreter der Profiligen mandeln sich immer mehr auf, weil sie als Verkäufer eines Produkts die Defizite der Verbände wie ein Klotz am Bein spüren. Nicht nur bei der Fifa ist das Image kaputt, die Außendarstellung katastrophal und das Personal von gestern, die Funktionärskaste hat ein grundsätzliches Problem. Das ginge alles besser, schneller, smarter, telegener, so die einhellige Meinung bei den Profivertretern. Und das nicht nur im Fußball.

Derzeit gärt es auch bei den Basketballern und den Radfahrern. Die Organisatoren der Profiliga Euroleague opponieren offen gegen einen Plan des Funktionärsweltverbandes Fiba. Die Fiba möchte ab Sommer eine Champions League im Basketball einführen – in Konkurrenz zur Euroleague. Das ging schon einmal schief, im Jahr 2000 mit der Suproleague. Bei den Radlern wiederum findet die Aso Gefallen an der gepflegten Insubordination gegenüber dem Funktionärsweltverband UCI. Die Aso, also die Amaury Sport Organisation, richtet praktisch alle wichtigen Rennen aus wie die Tour de France oder etliche Frühjahrsklassiker (Paris–Roubaix; Lüttich–Bastogne–Lüttich), will sich aber von den tatterhaften UCI-Sportverwaltern nicht vorschreiben lassen, welche Teams sie zu ihren Rennen einladen darf. Deswegen schert die Aso ab 2017 aus der sogenannten World Tour aus.

Die Verbände haben es nicht mehr hinbekommen, sich schnell genug zu reformieren

Beide, die Verwalter des Profisports bei den Radlern und Basketballern, vertreten eiskalt und knallhart ihre Interessen. Sie scheuen den Machtkampf mit den Funktionären nicht. Sie wähnen sich zwar in der besseren Position, aber sicher ist das nicht. Sie gehen durchaus ein Wagnis ein. Warum halten sich indessen die Profivertreter im Fußball vergleichsweise dezent zurück? Warum erklären sie nicht Fifa und Uefa zu Verbänden, die von der Geschichte überholt wurden? Es liegt wohl an der Dicke der Interessenverfilzungen. Blöd auch, dass es im Fußball nicht nur Profis, sondern auch Amateure gibt.

Die Revolution von oben, das heißt die Gründung eines Konkurrenzverbandes durch die Profis, verlangte einen radikalen Umbau, zu dem der Fußball nicht bereit ist. Eine Revolution scheut auch die Deutsche Fußball-Liga. Sie wird bestenfalls eine Restauration der Fifa unterstützen. Also hofft man in der Welt des Fußballs mit teils eschatologischem Wunderglauben auf einen Wandel der Fifa hin zum effektiven Verwaltungssystem, das von Wirtschaftspragmatikern geführt wird. Erst wenn das scheitert, dürfte sich die DFL wieder zu Wort melden. Markus Völker

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