PRESS-SCHLAG Karl-Heinz Rummenigge wird 60 und schwärmt von „italienischen Verhältnissen“: Geld allein macht nicht glücklich
In Italien kennt sich Karl-Heinz Rummenigge aus. In Italien hat er drei Jahre selbst gespielt. Für gutes Geld. Das hatte auch Bayern München bekommen, als er den 28-Jährigen mit den „sexy knees“ für damals irrwitzige 11 Millionen Deutschmark an Inter Mailand verscherbelte und ihn zum weltweit zweitteuersten Fußballer nach Maradona machte.
Vielleicht liegt es an dieser Verbundenheit, dass Rummenigge, mittlerweile Vorstandsvorsitzender der FC Bayern München AG, nicht müde wird, zu betonen, die Bundesliga müsse bei den Fernseherlösen dringend aufholen und zumindest Zustände wie in Italien erreichen, „also 1 Komma x Milliarden“. Selbst seinen gestrigen 60. Geburtstag ließ der Jubilar nicht verstreichen, ohne per Boulevardblatt sein ewiges Mantra zu wiederholen: Man möge ja den Engländern hinterherhinken, aber solle demnächst doch „wenigstens italienische Verhältnisse hinbekommen“.
Die Serie A bekommt aus ihren noch bis 2018 laufenden Fernsehverträgen derzeit jährlich 943 Millionen Euro. Das ist tatsächlich mehr als die aktuell 628 Millionen, die die DFL mit den nationalen TV-Rechten umsetzt. Aber „italienische Verhältnisse“? Kann das Rummenigge wirklich wollen? Halbleere, abrissreife Stadien? Schwindende sportliche Bedeutung? Skandale und Affären, mieser Fußball und Hooligans, die nicht nur die Kurve, sondern allzu oft auch den Verein kontrollieren?
Geld allein macht eben nicht glücklich – selbst im Fußball nicht. Eher schon, so unsexy das sein mag: solides Wirtschaften, kreatives Management, gute Jugendarbeit, solidarisches Handeln. Das haben sie nun auch in England begriffen und bauen Nachwuchsinternate; und die spanische Primera División hat genau die Zentralvermarktung beschlossen, gegen die in Deutschland jahrelang vor allem ein gewisser Karl-Heinz Rummenigge polemisierte – mit dem Hinweis auf Spanien, wo Real Madrid und der FC Barcelona im Selbstvermarktungsparadies leben würden.
Aber was interessiert mich mein Geschwätz von gestern. Er sei, sagt der Bayern-Boss, „ein totaler Befürworter der zentralen TV-Vermarktung“. Wohl eher trommelt das Geburtstagskind schon einmal vorsorglich fürs kommende Jahr. Dann werden die Fernsehrechte der Bundesliga ab 2017 vergeben. Für die Ausschreibung wünscht sich Rummenigge eine Konkurrenzsituation. Doch die ist nicht in Sicht: In Deutschland gibt es nur einen Pay-TV-Sender, und der schreibt immer noch rote Zahlen. Zu viel kostenlosen Fußball gebe es in Deutschland zu sehen, jammern die Verantwortlichen, da wollen zu wenige fürs Abo abdrücken. Und die Konkurrenzsituation zwischen den Öffentlich-Rechtlichen und den Privatsendern um frei empfangbaren Fußball ist überschaubar.
Deshalb versucht Rummenigge die mangelnde Konkurrenz durch moralischen Druck zu ersetzen. Der Abstand zu England werde zu groß, die kaufen uns alles weg, selbst ein Dorfverein wie Cardiff City bekommt mehr TV-Millionen als Bayern. Dieses Sperrfeuer, ist zu befürchten, wird uns noch bis in den kommenden Sommer begleiten, wenn endlich verhandelt wird. Könnten wir das Theater nicht einfach vorziehen – und Karl-Heinz Rummenigge die angestrebte Milliarde nachträglich zum Geburtstag schenken?
Thomas Winkler
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