PR-Termin auf Kraftwerksgelände: Zukunftsprojekt und Currywurst
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck legt in Spandau mit Senatschef Kai Wegner den Grundstein für den „Frühling der Wärmewende“. Er dankt viel.
In Spandau auf dem Gelände des Kraftwerks Reuter West war die besonders groß. Mindestens genauso überwältigend wie die Röhre war Robert Habeck, der als Bundeswirtschaftsminister freudestrahlend angereist kam, „um sich zu bedanken“ und den „Frühling der Wärmewende“ auszurufen. Allein, welch banale Grundsteinlegung lässt den Grünen-Vizekanzler so überschwänglich schwärmen und den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) mindestens den Anfang der wöchentlichen Senatssitzung schwänzen?
Es ist ein nachbarschaftliches 200 Millionen Euro schweres „Zukunftsprojekt“ – was auch sonst? – von Vattenfall, den Berliner Wasserbetrieben und der Berliner Stadtreinigung. Gemeinsam sollen die hier geplante „Abwasserwärmepumpenanlage in großindustriellem Maßstab und die neue Dampfturbine“ einen selbstverständlich „großen“ Beitrag zur Dekarbonisierung erbringen.
Noch bläst das Heizkraftwerk Reuter West bei der Wärme- und Stromgewinnung bis zu 1,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr in den Himmel. Das sind zehn Prozent der Berliner CO2-Emmissionen. Damit soll irgendwann Schluss sein. Aber Eile mit Weile: Erst im Jahr 2045 soll in Berlin Energie vollkommen klimaneutral produziert werden.
Wärme aus Müll
Immerhin hilft seit ein paar Jahren eine Müllverbrennungsanlage auf der anderen Spreeseite. Durch ein Rohr strömt durch die Müllverbrennung erhitzter Wasserdampf zum Kraftwerk, der eine Turbine antreibt und über Wärmetauscher seine Hitze an die Fernwärmeanlage abgibt. Klingt kompliziert. Wichtig an dieser Stelle ist lediglich: Die aktuelle Dampfturbine wird jetzt durch das besagte neue Modell ersetzt, das 2026 in Betrieb gehen soll.
In dem geplanten Gebäude soll auf 1.600 Quadratmetern auch die größte Wärmepumpe Deutschlands ein Zuhause finden. Auch hier spielen Nachbarn vom Spreeufer eine entscheidende Rolle. Die Wasserbetriebe betreiben dort das Klärwerk Ruhleben. Die Pumpenanlage wird also an das Werk angeschlossen, nutzt die Restwärme des gereinigten Abwassers und speist es dann ins Fernwärmenetz ein. So will man dann 45.000 Haushalte mit Fernwärme versorgen und 50.000 Tonnen CO2 einsparen.
Das „Energiedreieck Ruhleben“ werde, so Kai Wegner, ein Vorbild für ganz Deutschland, auch Habeck ist überzeugt: „Das, was hier in Spandau geht, das muss überall gemacht werden.“ „Energiedreieck“ klingt zwar nach „Chemiedreieck“ und weckt eher unschöne Assoziationen an Leuna, Buna, Bitterfeld. Aber egal.
Habeck bedankte sich im Laufe der Veranstaltung noch zig Mal. Für die Pumpe, die Turbine, die Fernwärme. Wofür man halt so dankt. Dann war er auch schon wieder verschwunden. Es gab Currywurst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid