POSTEN: "Privilegien feudaler Art"
In der SPD regen sich Zweifel an der Bezahlung des Bürgerschafts-Direktors: Wofür braucht Bremen einen, der nichts zu sagen hat und dafür 8.500 Euro bekommt?
![](https://taz.de/picture/217987/14/SPD_Mitgestalten.jpg)
Ein unbeliebter, weil oft unbequemer Genosse ist Martin Korol, ein ehemaliger Schulleiter und Ortsvereinsvorsitzender der SPD am Weidedamm. „Welche Genossin, welcher Genosse soll da an die Krippe?!“, fragte er kurz vor Ostern in einem offenen Brief. Die Stelle des Bürgerschaftsdirektors war wieder einmal ausgeschrieben worden, dotiert ist sie mit B 7 der Beamtenbesoldung, also etwa 8.500 Euro im Monat. Das ist anderenorts das Gehalt eines Generalmajors oder Ministerialdirigenten.
Die jüngste Ausschreibung war eher versteckt, und die Anforderung an den Job gegenüber letzten Ausschreibung von 2007 deutlich abgesenkt: „Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst“, stand damals in der Stellenanzeige und, dass die „Befähigung zum Richteramt wünschenswert“ wäre. Also ein Jurist. In der neuen Ausschreibung stand dann nur noch: „Leitungserfahrung im öffentlichen Bereich“ werde vorausgesetzt. Das Wort „Bereich“ umfasst dabei mehr als den öffentlichen Dienst – auch die Fraktionen der Bürgerschaft. Was Korol als Genosse aus der SPD-internen Gerüchteküche wusste: Frank Pietrzok, der gegenwärtige SPD-Fraktionsgeschäftsführer, sollte den Posten bekommen.
Soweit, so schlicht. Damals, 2007, war der Bürgerschaftsdirektor Rainer Oellerich vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden, weil die Chemie mit dem Präsidenten Christian Weber (SPD) nicht mehr stimmte. Nun ist Nachfolger Karl-Heinz Hage nach gut zwei Dienstjahren spazieren gehen geschickt worden, weil die Chemie mit Christian Weber nicht mehr stimmte. Wo liegt eigentlich das Problem, fragt Korol: „Was war der triftige (!) Grund, sich von dem bisherigen Stelleninhaber zu trennen?“
Darüber spricht man nicht. Auch SPD-intern nicht. Tatsache ist, dass dem Bürgerschaftsdirektor im vergangenen Herbst untersagt worden ist, an den Leitungssitzungen der Parlamentsverwaltung teilzunehmen oder Sitzungen der Bürgerschaft zu besuchen. Dagegen hatte Hage im Dezember Widerspruch eingelegt. Über diesen Widerspruch hat der Bürgerschaftsvorstand aber gar nicht entschieden – sondern ihn schlicht in den einstweiligen Ruhestand geschickt.
Noch eine Änderung, die ein Licht auf den internen Konflikt wirft, fällt auf beim Vergleich der Stellenausschreibungen. 2007 begann der Text mit dem Satz: „Der Direktor leitet die Verwaltung der Bremischen Bürgerschaft.“ In der neue Ausschreibung steht da jedoch: „Der Präsident leitet die Verwaltungsgeschäfte der Bremischen Bürgerschaft...“
Wenn der Präsident, der durch seine Repräsentationspflichten nicht ausgelastet ist, die Bürgerschaftsverwaltung gern selbst leiten will – wofür braucht er dann aber einen derart hoch bezahlten Direktor? „Der Posten war, ehe Herr Hage ihn 2009 antrat, seit dem Jahr 2007 verwaist und ich glaube, es hat wohl keiner so richtig gemerkt“, schrieb ein Leserbriefschreiber im Weser-Kurier.
Das lag an der guten Arbeit der Stellvertreterin Marlis Grotheer-Hüneke (SPD), einer Juristin, die nun zum zweiten Male „kommissarisch“ die Funktion des Parlamentsdirektors ausfüllt. Übrigens „nur“ mit einem B 3-Gehalt. Der Stadtstaat Hamburg besoldet seinen Bürgerschaftsdirektor mit B 6, Berlin mit B 5. SPD-Mann Korol findet die Bremer Bezahlung nach B 7 „maßlos“. Im Klartext: „Diese Stellenausschreibung steht für Privilegien feudaler Art. Wollen wir eine leistungsgerechte Bezahlung im Öffentlichen Dienst oder feudalistische Zustände auf Kosten der Allgemeinheit?!“
Nun gibt es trotz der versteckten Ausschreibung einige BewerberInnen, deren formale Qualifikation deutlich höher ist als die des SPD-Fraktionsgeschäftsführers Pietrzok. Auch juristische Fachkenntnisse wären für die Verwaltungsspitze einer Legislative sicherlich hilfreich. Die Absenkung der Bewerbungsvoraussetzungen enthebt das Bürgerschaftspräsidium nicht der nach dem Beamtenrecht vorgeschriebenen Bestenauslese. Nach 2007 war das Amt wegen einer Konkurrentenklage über ein Jahr vakant – das könnte jetzt wieder passieren.
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