PKK gibt sich wieder gesprächsbereit: Besuch bei Öcalan im Gefängnis
Der jüngere Bruder des PKK-Führers bringt den Kurden im Osten aus dem Knast eine Friedensbotschaft. Die ist auch an die Regierung gerichtet.
Mehmet Öcalan, der jüngere Bruder des PKK-Chefs, hatte nach knapp zwei Jahren erstmals wieder eine Erlaubnis bekommen, seinen Bruder auf der Gefängnisinsel Imrali zu besuchen. Der Anlass war der Beginn des Opferfestes in der islamischen Welt. Auch die Anwälte Öcalans haben ihren Mandanten seit Juni letzten Jahres nicht mehr gesehen.
Nachdem Präsident Recep Tayyip Erdogan im Sommer letzten Jahres die Friedensgespräche mit der PKK für gescheitert erklärt hatte, war Öcalan komplett isoliert worden.
Aus Sorge um den Zustand von Abdullah Öcalan hatten vor einer Woche Abgeordnete und Funktionäre der kurdisch-linken HDP in Diyarbakir einen Hungerstreik begonnen mit dem Ziel, dass endlich wieder eine Delegation zu dem isolierten PKK Chef zugelassen wird.
Das Problem ist lösbar
Mehmet Öcalan war deshalb nach dem Treffen mit seinem Bruder am Sonntag nach Diyarbakir gefahren, um die Hungerstreikenden über den Zustand seines älteren Bruders zu unterrichten. Danach geht es Abdullah Öcalan gesundheitlich gut und der PKK Chef drängt offenbar darauf, wieder in das politische Geschehen einzugreifen.
In dem Text, den Mehmet Öcalan jetzt als Botschaft seines Bruders in Diyarbakir verlesen hat, heißt es: Wenn der Staat ehrlich gewesen wäre, hätte wir das Problem längst lösen können. Wenn der Staat bereit ist, können wie den Friedensprozess innerhalb von sechs Monaten abschließen“. Der Staat solle erneut Leute mit einem Verhandlungsmandat zu ihm schicken, dann könne man da weitermachen, wo die Gespräche vor einem Jahr abgebrochen wurden. „Die Lösung liegt in unserer Hand“, ließ Öcalan mitteilen.
Diese über seinen Bruder vermittelte Botschaft ist die erste Äußerung Öcalans, die seit über einem Jahr nach draußen dringt. Die Pressekonferenz von Mehmet Öcalan wurde im linken Fernsehsender IMC live übertragen.
Der Druck ist hoch
Ob sein Appell und seine Bereitschaft, den bewaffneten Kampf zu beenden, eine Chance hat, ist allerdings sehr fraglich. Die Auseinandersetzung ist in den letzten 12 Monaten sehr stark eskaliert. Sowohl die Sicherheitskräfte wie auch die PKK haben sich ohne Rücksicht auf zivile Menschenleben bekriegt. Das hat die Position der kurdischen legalen Partei HDP sehr geschwächt.
Die Ablehnung eines Friedensschlusses innerhalb der türkischen Bevölkerung hat dadurch stark zugenommen. Erdogan hat die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen mehrfach kategorisch abgelehnt und stattdessen den Druck auf die kurdische Bewegung stetig erhöht.
Erst am Wochenende waren 24 kurdische Bürgermeister ihres Amtes enthoben und durch staatliche Kommissare ersetzt worden. Offenbar als Reaktion darauf explodierte am Montagvormittag eine Autobombe in der Nähe des AKP Parteibüros in Van. Rund 50 Personen wurden zum Teil schwer verletzt. Die HDP rief heute ihre Anhänger dazu auf, in den kommenden Tagen aus Protest gegen die Amtsenthebungen jeden Abend vor den Verwaltungsgebäuden zu demonstrieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!