auf dem weg zu gelöbnis und gelöbnix : PHILIPP GESSLER erklärt, warum er dann doch nicht über die Vereidigung berichtete
Im Gleichschritt zur Sperre
Es macht keinen Spaß, in der Hitze zu bekloppten Veranstaltungen zu hetzen. Plötzlich stoppt der Bus am Anhalter Bahnhof, es werde eine andere Route gefahren, verkündet der Busfahrer mit BVG-Freundlichkeit – nicht zum Bendlerblock, wo heute Abend die feierliche Vereidigung von 250 Bundeswehrsoldaten stattfinden soll.
Raus aus dem Bus, vom Anhalter Bahnhof runter zum Landwehrkanal, an dem das Struck-Ministerium liegt. Das Hemd verfärbt sich unter den Achseln. Da ist die Gegendemo: „Gelöbnix. Deutschland aus dem Gleichschritt bringen!“ Ein Demoredner versucht sich mühsam in ironischen Sätzen zur Polizei. Die steht vorne in einer Front grüner Wannen. Es ist das übliche Spiel. Ermüdend.
Kein Durchlass an der Polizeisperre. Ein Polizist, Typ spiegelnde Sonnenbrille, sagt, der Presseeingang sei drüben, die (ausgerechnet!) Hitzigallee hoch. Dort die zweite Sperre, diesmal von Feldjägern. Minutenlang studiert einer Personal- und Presseausweis. Gleich um die Ecke, „zweiter Eingang“, sagt er. Noch zehn Minuten bis zum Gelöbnis. Überall stehen Feldjäger, fast wie vor 59 Jahren. Er ist der Eingang des Ministeriums, aber auch hier kein Durchlass. „Negativ“, sagt ein Uniformierter. Ich muss lachen, er lacht auch. Für die Presse einfach zum Kanal, erklärt er, dann die Hildebrandstraße hoch auf die gegenüberliegende Seite.
Es läutet schon zum Abend. Die Rekruten, arme Schweine, brüten in der Sonne. „Stillgstannn!“, brüllt ein Offizier. Die deutsche Militärsprache! Schrecklich wie immer. Die nächste Sperre: Nein, sagt ein freundlicher Offizier, die Presse komme nur am anderen Ende der Hildebrandstraße rein.
Ich werde irgendetwas zwischen pampig und verzweifelt, mein Hemd sieht eklig aus. Der Offizier zeigt Erbarmen, checkt nochmals meinen Namen. Er lässt mich durch und begleitet mich zum Eingang. Weil Strucks Pariser Kollegin Alliot-Marie da ist, erklingt die Marseillaise – irgendwie fallen wir beide in einen Gleichschritt. Den Offizier könnte man sich in Bosnien vorstellen, wo er herbeigerannte Dorfkinder knufft. Ist doch gut, was die Bundeswehr da macht.
Der Offizier liefert mich ab bei der letzten Sperre, gleich bin ich drin. Der Appellplatz liegt vor mir. Doch nein, sagt ein anderer Oberer, die letzten Journalisten seien vor zehn Minuten eingelassen worden. Jetzt gehe nichts mehr. Ich strecke die Waffen. Der freundliche Offizier scheint sich etwas für seine Kameraden zu schämen. Ein Feldjäger geleitet mich zum eigentlichen Presseeingang – und von dort hinaus. Der Tiergarten ist kühl, Uniformierte und Demonstranten sind bald weit weg. Ist das das Deutschland, für das die Attentäter des 20. Juli zu sterben bereit waren?