PHARMAKOSTEN: AUCH DIE ÄRZTE TRAGEN FINANZIELLE VERANTWORTUNG: Es reicht nicht, nur zu kritisieren
Zum Jahreswechsel drohen den gesetzlich Versicherten erkleckliche Beitragserhöhungen. Spätestens dann werden sich viele fragen, wem sie das schon wieder zu verdanken haben. Um die Antwort wird schon Monate im Voraus gestritten. Denn es sind die Arzneimittel, die den Kassen derzeit den größten Druck bereiten. Und für die Ausgaben dafür sind zuständig: erstens die Pharmaindustrie und zweitens die Ärzte.
Wobei das Verhalten Letzterer – beziehungsweise ihrer Standesvertreter – Fragen aufwirft. Vor einer Woche noch machte Leonhard Hansen, Zweitchef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, die Pharmaindustrie schlecht: Mit ihrer willkürlichen Preispolitik sei sie schuld an den explodierenden Kosten für die Pillen. Grundlage dafür war der Arzneiverordnungs-Report des Pharmakologen Ulrich Schwabe, der alljährlich den Präparaten, ihren Packungsgrößen und Preisen hinterherrechnet und 4,2 Milliarden Euro entdeckt hat, die zwar zum Wohle der Pharmaindustrie, nicht aber zum Wohle der Patienten ausgegeben worden seien.
Das gibt’s nicht oft, dass sich die Ärztefunktionäre offen gegen die Pharmalobby stellen. Denn meist ziehen sie gemeinsam am einen Ende des Strangs – am anderen kämpfen die Gewerkschaften zusammen mit der SPD. Offenbar aber hatten sich die Ärztevertreter mit dem rot-grünen Wahlsieg mittlerweile abgefunden und beschlossen, der Regierung ein Angebot zu machen: Hey, wenigstens haben wir einen gemeinsamen Feind!
Gestern nun erklärte Hansen den Arzneiverordnungs-Report zu einem rein theoretischen Machwerk. Ja was denn nun? Ein bisschen eindeutiger darf’s schon sein. Wenn die Ärztevertreter Beihilfe zur Zivilisierung der Pharmaindustrie üben wollen, hilft aller Selbstschutz nichts: Die Ärzte müssen mehr Kritikfähigkeit gegenüber den Werbemaßnahmen der Pharmahersteller entwickeln. Sie dürfen sich nicht dafür bezahlen lassen, einem teuren Mittel ohne Zusatznutzen zur Marktfähigkeit zu verhelfen. Wenn sie auf ihrem Expertenmonopol beharren, müssen sie sich zur Weiterbildung verpflichten – und zwar nicht zu den Weiterbildungsmaßnahmen von Merck, Schering und Bayer. ULRIKE WINKELMANN
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