PDS startet ins High-Tech-Zeitalter

■ Die SED-Erben pumpen Millionen in ein linkes Medienprojekt / Die Firma Sony bestückt das Unternehmen mit den neuesten Geräten zu Sonderkonditionen

Von Marina Schmidt

Berlin Mitte, Rosenstraße, Nähe Alexanderplatz. Vor dem Zentrag-Gebäude liegen Baumaterialien, auf dem Bürgersteig steht eine Betonmischmaschine. Junge Männer schleppen Platten und Balken in die ehemalige Zentralverwaltung aller PDS-Verlage. Es wird gehämmert und gebohrt, gestrichen und verputzt. Ein neues Messingschild prangt am Eingang: „EMG Elektronische Medien Forschungsgesellschaft mbH“. Unter einem Baldachin von Plastikplanen sitzen zwei Pförtner und beobachten die Handwerker bei ihrem Treiben.

Der fünfstöckige Gebäudekomplex befindet sich bis auf einige Zimmer in der zweite Etage im Rohzustand. Dort sitzt die Geschäftsleitung des im Frühjahr gegründeten Unternehmens. Glaubt man dem Geschäftsführer Wolfgang Wenzel, so soll sich die Baustelle innerhalb der nächsten Wochen in ein High-Tech-Centre verwandeln, das im gesamten Großberliner Raum seines gleichen sucht: Eine mit digitaler Audio- und Videotechnik ausgerüstete Dienstleistungs- und Produktionsstätte für junge linke Medienschaffende. Wovon die Film- und Videoszene im Westen bislang nur träumen konnte, soll in Ost-Berlin nun Wirklichkeit werden. Welche Finanzquellen hinter dem Unternehmen stehen, macht alleine schon das Zentrag-Gebäude deutlich. Die PDS hat nicht nur die Räumlichkeiten, sondern auch einige Millionen Startkapital, zum Teil als Darlehen, zur Verfügung gestellt.

Einer der Gesellschafter und Mitinitiatoren des Projektes ist Lothar Bisky, zur Zeit noch Leiter der Babelsberger Filmhochschule und im Parteivorstand der SED -Nachfolgeorganisation. Er hofft, daß sich das Unternehmen für die Filmhochschüler wie für die Partei lohnen wird. „Im Januar glaubten wir noch, daß wir unsere Wahlspots im Deutschen Fernsehfunk produzieren könnten. Doch mittlerweile sieht die Situation ganz anders aus. Wir werden aus fast allen Medien ausgeschlossen. Das einzige Presseorgan, das uns noch zur Verfügung steht, ist das 'Neue Deutschland‘. Zudem besteht unsere Zielgruppe hauptsächlich aus jungen Leuten. Deshalb ist es wichtig, daß wir unsere Parteiarbeit locker und mit modernen Mitteln gestalten.“

Wahlspots, Parteivideos und Beiträge aus dem Bereich der „politischen Bildung“ der PDS werden demnächst in der EMG produziert. Auch für die Babelsberger Filmhochschule soll sich das Projekt lohnen. Sie hat bereits einen Kooperationsvertrag mit der EMG abgeschlossen. „Die jungen Leute müssen endlich die Produktionsmittel in die Hand bekommen“, meint Bisky, „in Zusammenarbeit mit der EMG werden wir eine neue Art der Ausbildung erforschen. Theorie und Praxis sollen unmittelbar miteinander verknüpft werden.“ Künftig wird ein Teil der Aus- und Fortbildung der Filmschüler in der Rosenstraße stattfinden. Zudem stehen den Studenten in produktionsfreien Zeiten sämtliche Anlagen und Geräte zur freien Verfügung. Damit könnte die PDS zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: die fürs erste garantierte Produktion der Parteivideos und die Dankbarkeit bei vielen zukünftigen Medienschaffenden, die sich gerade von der neuen Regierung stiefmütterlich behandelt fühlen.

Die Aus- und Fortbildung des Babelsberger Nachwuchses und der Blick auf den zu erobernden neuen Markt haben der EMG einen weiteren Sponsor beschert: die Berliner Vertriebsgesellschaft von Sony, PIK. Im Rahmen einer Forschungsunterstüzung bestückt sie das Unternehmen mit dem neuesten Equipment zu Sonderkonditionen. Bei einem Rundgang durch die Baustelle beschreibt mir Geschäftsführer Wenzel dann auch ausführlich, was das linke Medienprojekt alles bieten wird: digitale Audio- und Videostudios, eine Kopierstraße, Synchronstudios, komplette EB-Teams und Ü -Wagen, die modernsten Gerätschaften für die Herstellung von Computeranimationen auf HDTV-Basis, ein HDTV-Kino, gleichzeitig sei noch eine Medienkneipe geplant.

Im ganzen Haus ist bis auf zwei riesige Kaffeeautomaten noch kein Stück Technik zu sehen. Es gibt keinen Architekten, keine professionelle Bauleitung und kein größeres Bauunternehmen. Das ist auch überflüssig. Denn das jetzige Team scheint hauptsächlich aus etwa 30 Multitalenten aus Ost und West zu bestehen, die vom Kabelverlegen über Bauleitung bis zur Produktion von Fernsehserien eigentlich alles beherrschen. Manchmal geht's dann auch in die Hose, wie zum Beispiel bei der Planung der Sauna. Das Team hatte kollektiv beschlossen, auch das ist das Linke an dem Projekt, verrät mir Wenzel, die ehemalige Zentrag-Küche zum gemeinsamen Schwitzbad umzubauen. Es erschien allen am praktischsten, da der Raum bereits gekachelt war. Nur hatte die kollektive Bauleitung dabei übersehen, daß durch diesen Raum der einzige Zugang zum Fahrstuhl führt. Aber da man ja flexibel ist, entschloß sich die Truppe, die Sauna in die Kellerräume zu verlegen. Mittlerweile hat sich jedoch herausgestellt, daß die Geschäftskasse nicht unerschöpflich ist. Das Projekt „Kollektives Schwitzen“ liegt nun erst mal auf Eis. Während wir weiter über Spanplatten und Bauschutt stolpern, frage ich mich, ob Sony hier auf das richtige Pferd gesetzt hat. Wie sich das Unternehmen neben der Produktion von Parteivideos künftig finanzieren will und wie die linken Produktionsinhalte aussehen sollen, ist unklar. Die Vorstellungen Wenzels klingen in meinen Ohren genauso abenteuerlich wie der Ausbau des Gebäudes: „Das ganze Projekt ist ein riesiger Gemischtwarenladen. Wir machen alles hier: digitalisierte Computeranimationen, synthetische Atmosphären, wir Verleihen alles vom einzelnen Kabel bis zum kompletten EB-Team, wir färben Filme ein, übersetzen Handbücher und haben noch eine Kneipe.“

Die Beweggründe für finanzkräftige Auftraggeber, in einen linken, von der PDS gestützten Gemischtwarenladen zu investieren, erklärt mir Wenzel folgendermaßen: „Durch unsere hochspezialisierte Technik sind wir in der Lage, schneller und kostengünstiger als andere zu produzieren. Unser größtes Kapital sind jedoch unsere Mitarbeiter. Wir haben ausgezeichnete Kameraleute und Dramaturgen aus dem Osten. Sie garantieren die Ästhetik der Produkte. Die Techniker und Computerspezialisten sind aus dem Westen. Viele von ihnen kommen aus renommierten Unternehmen und bringen gute Kontakte mit. Das ist das größte Betriebskapital der EMG.“ Ob dieses Kapital jedoch über die Grenzen der PDS und der Babelsberger Filmhochschule hinausreicht, wird sich in der nächsten Zukunft zeigen.