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PARLAMENTPirat will nicht mehr Kapitän sein

Alexander Morlang gibt Vorsitz des IT-Ausschusses im Abgeordnetenhaus ab und kommt damit seiner Abwahl zuvor. Kritisiert wurde der raue Umgangston des Piraten.

Da war noch alles gut: Alexander Morlang (Mitte) mit Fraktionskollegen auf Island-Reise im Herbst 2011. Bild: dapd

Er ist seiner Abwahl zuvorgekommen: Pirat Alexander Morlang ist am Dienstag als Vorsitzender des Ausschusses für Digitale Verwaltung, Datenschutz und Informationsfreiheit im Abgeordnetenhaus zurückgetreten. „Die Gründe dafür liegen auch im persönlichen Bereich“, schrieb Morlang in einer Pressemitteilung. Der Ausschuss, den es erst seit Beginn der laufenden Legislaturperiode gibt, habe es nicht verdient, durch persönliche Animositäten gelähmt zu werden. Zuvor hatten SPD- und CDU-Fraktion gedroht, sie würden Morlang abwählen, weil sich dieser wiederholt im Ton vergriffen habe.

Bühne zahlreicher Auseinandersetzungen zwischen Morlang und anderen Abgeordneten, vor allem aus der SPD, war meist Twitter: In Reaktion auf den Tod der zwei Tage nach ihrer Zwangsräumung verstorbenen Rentnerin Rosemarie F. vergangene Woche forderte der SPD-Abgeordnete Lars Oberg dort, die Maßstäbe solcher Räumungen zu überdenken. Doch statt einer politischen Debatte über genau diesen Vorschlag folgte eine Debatte über den richtigen Umgangston und gute Sitten in der Politik – eingeleitet von einem Kommentar Morlangs, in dem er der SPD Mitschuld am Tod der zwangsgeräumten Frau gab: „Sozialdemokratie ist tödlich. Danke, liebe Verräter!“

Oberg wollte daraufhin Morlang als Ausschussvorsitzenden abwählen lassen. Doch bevor die SPD-Fraktion am Dienstag entschieden hatte, ob sie diesen Weg gehen will, trat Morlang zurück. Er war in der Vergangenheit wiederholt in die Kritik geraten: Etwa, weil er eine Piratin „Exfickse“ genannt hatte oder zuletzt, weil er mehr als ein Jahr benötigte, um seine Nebeneinkünfte von 1.000 Euro im Netz offenzulegen und damit als letztes Mitglied einen Beschluss seiner eigenen Fraktion umzusetzen.

Deren einzig anderer Ausschussvorsitzender, der Chef des BER-Untersuchungsausschusses Martin Delius, twitterte: „Vielen Dank an Alexander Morlang für den mutigen Schritt und die geleistete Arbeit!“ Wie es in dem gerade für die Piraten wichtigen IT-Ausschuss weitergehen wird, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Die Piraten wollen den Vorsitz behalten und müssen dafür bis zur nächsten Sitzung Mitte Mai einen Kandidaten aufstellen.

Nahe liegend wäre eine Nominierung des Rechtspolitikers Simon Weiß als Nachfolger Morlangs; er ist bisher als beratendes Mitglied der einzige Piraten-Vertreter im Ausschuss neben Morlang. SEBASTIAN PUSCHNER

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