piwik no script img

■ Osttimor: Für Indonesiens Generäle läuft alles nach PlanKalkulierte Eskalation

Die Generäle hatten es vorausgesagt. Kaum erlaubt Präsident B.J. Habibie der UNO, die Einwohner der rebellischen Provinz zu fragen, ob sie bei Indonesien bleiben oder unabhängig werden wollen, versinkt Osttimor auch schon im Chaos: Die Hauptstadt Dili brennt, zehntausende fliehen, in den Straßen verwesen die Toten. Obwohl schon 20.000 Polizisten und Soldaten da sind, muss Armeechef Wiranto immer mehr Truppen schicken. Der Höhepunkt: Osttimor, dessen Bewohner die Unabhängigkeit nur gewählt haben, weil sie die indonesischen Soldaten nach 24 Jahren grausamer Besatzung endlich loswerden wollten, steht unter Kriegsrecht – mit Zustimmung von UNO-Generalsekretär Kofi Annan.

Wer ist schuld an der Tragödie in Osttimor, die sich in diesen Tagen vor den Augen der Welt abspielt? Für Jakartas politische Elite – egal ob in der Regierung oder in der Opposition – ist die Antwort klar: Schuld ist nur Präsident B.J. Habibie, der den undankbaren Osttimoresen den Floh von der Unabhängigkeit ins Ohr gesetzt hat. Schuld sind außerdem die UNO, Australien, Portugal und die USA, die das wirtschaftlich geschwächte Land zerstören wollen. In dieser Analyse sind sich die Oppositionspolitiker, die sich sonst so gern als demokratische Hoffnung feiern lassen, mit den Falken in der Armee einig. „Wir sind keine Kakerlaken-Nation“, sagt Präsidentschaftskandidat Abdurrahman Wahid gekränkt.

Alles verläuft nach Drehbuch. Der letzte Akt des Dramas, das von einflussreichen Kräften in der Armee inszeniert wird, hat nun begonnen: Zuerst wurden Journalisten, UNO-Mitarbeiter und internationale Beobachter aus dem Land getrieben. Seit Anfang dieser Woche richten sich die Angriffe gegen die letzte Zuflucht der Osttimoresen vor den Terrorbanden, die von Armee und Geheimdienst organisiert, bewaffnet und geleitet werden: Bischof Belo, die katholischen Patres und Nonnen. Wer bei ihnen Schutz gesucht hat, wird ermordet oder vertrieben.

Bleibt nur noch die kleine Guerilla in den Bergen, die bislang auf Anweisung ihres Chefs Xanana Gusmao auf die Massaker der Milizen nicht reagiert haben. Nun aber werden sie nicht mehr lange stillhalten können. Und: Sobald die Guerilla zurückschlägt, kann die – in den letzten Tagen durch Elitetruppen verstärkte – Armee endlich selbst in Aktion treten. Denn dann ist der von den Generälen beschworene Bürgerkrieg da. Dann wird, so das Kalkül, auch die UNO einsehen, dass eine Unabhängigkeit Osttimors derzeit nicht in Frage kommt. Jutta Lietsch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen