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taz panter stiftung

Osteuropa-Workshops Gemeinsam sind wir stark

Die taz Panter Stiftung bringt Jour­na­lis­t:in­nen aus dem postsowjetischen Raum zusammen – 2025 zum Thema Dekolonialisierung Ost.

Die vielleicht wichtigste Frage: Wie kann ein dauerhafter Friede aussehen? Illustration: Manuel Fazzini

taz Panter Stiftung | Wenn Krieg herrscht, bleibt wenig, wie es war. Das erleben und erleiden die Menschen in der Ukraine seit drei Jahren und fast 1.000 Tagen. Hunderttausende mussten fliehen und haben in vielen Fällen alles verloren, was bis dahin ihren Alltag, ihr Leben bedeutete. Doch auch für diejenigen, die nicht vom Bombenterror bedroht sind, hat sich die Welt seit Februar 2022 um 180 Grad gedreht. Vieles musste neu gedacht, manche Gewissheit begraben werden.

Kurz nach Russlands Angriff auf sein Nachbarland mussten Medienhäuser und Institutionen, die mit osteuropäischen Organisationen zusammenarbeiten, schnell reagieren. Auch die taz Panter Stiftung musste innerhalb weniger Tage überlegen, wie sie mit der neuen Situation umgeht. Aber wir hatten einen entscheidenden Vorteil: Durch die Osteuropa-Workshops, die in dieser Region seit 2011 durchgeführt werden, verfügt die taz Panter Stiftung über vielfältige Kontakte und ein stabiles Netzwerk.

Osteuropa-Sonderseiten

In den Osteuropa-Workshops der taz entstehen regelmäßig Beilagen für die taz - u.a. am 8. November 8 Seiten zum Workshop in Tbilisi, Georgien, und am 16. November 4 Seiten zu den Osteuropa-Projekten der taz. Der hier abgedruckte Text war das Editorial der letzten Beilage.

In Absprache mit der Redaktion der taz konnten deshalb weitreichende Aktivitäten und Unterstützungsprogramme ins Leben gerufen werden. Kernstück dieser Projekte war etwa das Tagebuch „Krieg und Frieden“. Ukrainische, belarussische und russische Journalist:innen, aber auch Kol­le­g:in­nen aus der anderen postsowjetischen Ländern schrieben über ihre Alltagserfahrungen, die vom Ukrainekrieg geprägt – oder auch komplett verändert – wurden, in einer Kolumne. Daraus entstand das Sammelband „Krieg und Frieden. Ein Tagebuch“ in Kooperation mit dem Verlag edition.fotoTAPETA.

Von Armenien bis Kasachstan

Seit Februar 2022 waren etwa 75 Jour­na­lis­t:in­nen bei uns für Workshops zu Gast. Sie stammen aus Russland, Belarus, der Republik Moldau, Armenien, Georgien, Aserbaidschan, aber auch aus Kirgistan und Kasachstan. Wir danken dem Auswärtigen Amt, das sich an der Finanzierung der Workshops in den Jahren 2022 bis 2024 beteiligte.

Das Motto „Dialog trotz Krieg“ konnte nicht je­de:r im Kontext des Ukrainekrieges anerkennen. Aber es war unbestritten der Beginn einer erfolgreichen Spendenkam­pagne. Geworben haben wir mit einer weinenden Matrjoschka, auf gelb-blauem Hintergrund. Wir wollten so neben den Jour­na­lis­t:in­nen aus der Ukraine und Belarus auch kritische, unabhängige russische Medien in unserer Kampagne einbeziehen, die als „ausländische Agenten“ massiv verfolgt werden – oder bereits nur noch aus dem Exil heraus arbeiten können. Dieser plakative Aufruf zum Dialog ist bei unseren Spen­de­r:in­nen angekommen: 230.000 Euro kamen innerhalb weniger Tage zusammen.

Antikriegsprotest im März 2022 in Sankt Petersburg. Das „Nein zum Krieg!“ wird übermalt Foto: taz

Die Kehrseite: Es hagelte scharfe Kritik, auch aus unserem journalistischen Netzwerk in Osteuropa – bis hin zur Drohung, die Zusammenarbeit mit der taz Panter Stiftung aufzukündigen. Das Symbol der Ma­trjoschka ist für Menschen in postsowjetischen Ländern Sinnbild des russischen Imperialismus. Das haben wir nicht bedacht, ein Fauxpas, der zunächst für mehr Spaltung als Einheit sorgte. Umso mehr richteten wir danach alle Anstrengungen darauf aus, ukrainische, exilrussische und belarussische Medien gemeinsam für unsere Aktivitäten zu gewinnen. Denn in Kriegszeiten leidet auch die Pressefreiheit.

Fenster nach Russland

Aufgrund der vielen Spenden im Jahr 2022 haben wir jeweils 25.000 Euro an sechs unabhängige Medien ausgeschüttet: zwei in der Ukraine, zwei russische Exilmedien und ein belarussisches Exilmedium, sowie das Media Hub im lettischen Riga. Neben der finanziellen Unterstützung war uns wichtig, auch eine ideelle Anerkennung ihrer geleisteten Arbeit auszudrücken.

Die taz Panter Stiftung setzt sich auch dafür ein, dass trotz aller Propaganda und Zensur ein publizistisches Fenster nach Russland geöffnet bleibt. Aus diesem Grund veröffentlichte die taz Panter Stiftung in zwei Sonderdossiers Artikel von Jour­na­lis­t:in­nen der oppositionellen Novaya Gazeta Europe. Im März 2023 begann außerdem eine Kooperation mit Meduza. So erhalten Le­se­r:in­nen in Deutschland und Exil­rus­s:in­nen einen unzensierten Blick auf Russland auf taz.de.

Aber nicht nur in Russland, sondern weltweit steht es schlecht um die Medienfreiheit. Das besorgt uns, denn Pressefreiheit ist ein hohes Gut und die Basis jeder Demokratie. Demokratien werden weltweit zurückgedrängt, autoritäre und autokratische Systeme sind auf dem Vormarsch, Rechts­po­pu­lis­t:in­nen werden auch in Europa immer stärker. Die Jahrzehnte des langsamen politischen Fortschritts seit dem Zweiten Weltkrieg scheinen zu Ende zu sein. Es gibt allen Grund zur Müdigkeit.

Hoffnung auf Veränderung

Doch nach fast drei Jahren intensiver Unterstützung von Jour­na­lis­t:in­nen und Medien in Osteuropa werden wir immer wieder aufgerüttelt: durch die Unterstützung unserer Spender:innen, die sich finanziell beteiligen, aber auch mit Interesse unsere Aktivitäten verfolgen. Sie sind neben unserer finanziellen Sicherheit auch unsere Mutmacher:innen. Frischen Wind geben uns vor allem die Journalist:innen, die wir unterstützen, mit denen wir in den Workshops zusammenarbeiten, diskutieren und uns austauschen. Sie machen uns Hoffnung, dass sich etwas zum Positiven verändern kann. Gemeinsam sind wir stark.

Auch 2025 wollen wir neue Projekte ins Leben rufen. Sich zu vernetzten, sich zuzuhören, ist heute wichtiger denn je. Denn früher oder später wird sie kommen – die Zeit nach dem Krieg. Und in dieser Nachkriegszeit wird ein funktionierendes Netzwerk von unabhängig arbeitenden Jour­na­lis­t:in­nen ein hohes Gut sein. Gerade jetzt dürfen wir nicht nachlassen, auch 2025 sollen unsere Osteuropa-Projekte weitergehen.

Unser letzter Osteuropa-Workshop fand im Oktober 2024 in Tbilisi statt, kurz vor den Wahlen in Georgien. Im kommenden Jahr möchten wir uns vornehmlich dem Thema Dekolonialisierung widmen – dieses Mal aber nicht im Globalen Süden, sondern vielmehr im Osten Europas und in den ehemaligen Sowjetrepubliken. Dafür müssen sich die Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion zunächst aber ihrem eigenen Erbe stellen – das gelingt manchen Ländern besser, anderen schlechter. Die taz Panter Stiftung möchte diesen Diskurs begleiten. Machen Sie mit?

Konny Gellenbeck, Mitgründerin der taz Panter Stiftung

Tigran Petrosyan, Leiter der Osteuropa-Projekte der taz Panter Stiftung

Gemma Terés Arilla, Leiterin und Vorständin der taz Panter Stiftung