Osterfest in Jerusalem: Eine Botschaft der Hoffnung
Die Stimmung in Jerusalem ist angespannt, der Krieg in Gaza allgegenwärtig. Christliche Osterprozessionen finden weitestgehend ohne Musik statt.

Auf der anderen Seite spazieren Muslime im Fastenmonat Ramadan zum Freitagsgebet auf den Haram Al-Scharif, den Tempelberg. Dazwischen schlängelt sich vereinzelt ein orthodoxer Jude durch die Menge, in der Hand letzte Einkäufe vor dem Beginn des Schabbat. An jeder Straßenecke beobachtet eine Traube israelischer Grenzpolizisten die Szene.
Als die Karfreitagsprozession der Jerusalemer Katholiken in die Gasse einbiegt, rücken die Polizisten die Gitter ein Stück beiseite. Hunderte Gläubige schreiten singend hinter einem von zehn Trägern balancierten Kreuzbalken her. „Normalerweise ist es am Karfreitag viel voller“, sagt eine christliche Palästinenserin mit ihrer Tochter auf dem Arm, die aus Ostjerusalem gekommen ist. „Doch weil Israel die Checkpoints ins Westjordanland geschlossen hält, konnten viele Menschen von dort nicht kommen.“
Trotz des bunten Treibens in der Altstadt ist der Krieg im nahe gelegenen Gazastreifen überall zu spüren. Die muslimische Bevölkerung hat auf die Lichterketten zu Ramadan verzichtet und die christlichen Osterprozessionen finden weitgehend ohne Musik statt.
Stellen seit Monaten unbesetzt
Seit Oktober wurden in Gaza nach Angaben des von der Hamas geleiteten Gesundheitsministeriums mehr als 32.000 Menschen getötet. Noch immer werden dort mehr als 130 israelische Geiseln festgehalten. Unklar ist, wie viele von ihnen noch leben.
Wer in diesen Tagen an die Tür der evangelischen Probstei klopft, dem wird von Probst Joachim Lenz persönlich geöffnet. Drinnen sind der Empfang und die Büros verwaist. „Die meisten unserer Freiwilligenstellen sind seit Monaten nicht mehr besetzt“, sagt Lenz. Zum Palmsonntagsgebet seien 35 Menschen gekommen. „Normalerweise ist das nach Weihnachten die größte Messe mit bis zu 400 Besuchern.“
Nicht nur die geschlossenen Checkpoints und der Krieg seien schwer zu ertragen, auch die Stimmung in Jerusalem selbst sei angespannt, sagt Lenz. In der Altstadt leben jüdische Siedler und deren Angriffe auf Christen hätten seit Oktober massiv zugenommen. Am stärksten treffe es die armenischen Priester, die stets offen ein Kreuz tragen.
„Aber wenn ich in Amtskleidung auf die Straße gegangen bin, wurde ich auch schon häufiger angespuckt“, sagt Lenz. Zudem habe die Zahl der Waffen in den Händen jüdischer Zivilisten stark zugenommen. Eine nahe Thoraschule sei kurz nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober mit Sturmgewehren ausgerüstet worden. Manche Gemeindemitglieder würden erwägen, das Land zu verlassen.
Forderung nach einem Waffenstillstand
Neben der Probstei betritt am Gründonnerstag Sally Azar die Erlöserkirche in Jerusalem zum Gottesdienst. Sie trägt eine weiße Robe mit einer purpurnen Stola. Die junge Palästinenserin hat ihr Vikariat in Deutschland absolviert und ist seit einem Jahr als erste palästinensische Frau Pastorin der evangelisch-lutherischen Kirche im Heiligen Land.
„In den vergangenen Monaten war Hoffnung zu haben für uns alle schwer“, sagt sie. „Wir denken immer, es kann nicht mehr schlimmer werden und dann kommt die nächste traurige Nachricht.“ Dennoch sei die Botschaft von Ostern eine der Hoffnung auf Veränderung und auf einen Sieg des Lebens über den Tod. Dafür müsse als erstes der Krieg aufhören. „Wir fordern gemeinsam mit den anderen Kirchenoberhäuptern von Jerusalem einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand.“
Zum Gottesdienst sind etwa 50 Menschen gekommen. Auf englisch, arabisch, deutsch und dänisch erzählen Azar und ihre Kolleginnen und Kollegen vom letzten Abendmahl. Wie Jesus dabei alle an einen Tisch geladen habe, was heute in dieser Region oft nicht mehr möglich oder gewollt sei. „Trotzdem glaube ich, dass es genau das braucht“, sagt der arabische Pastor Fursan Zumot nach dem Gottesdienst bei einer Prozession zum Ölberg. „Es gibt in diesem Land keine Zukunft ohne Koexistenz.“
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