piwik no script img

Blickt auch schon nicht mehr durch: Justitia Foto: Boris Roessler/dpa

Als ich nach Hause komme und lache mich kaputt. Ich erwische einen Dieb auf frischer Tat! Der Arme! Hier ist doch nichts zu holen. Trotzdem rufe ich die Polizei. Nur so aus Prinzip.

„Wir sehen uns im Gericht“, droht er mir, während er ins Polizeiauto verfrachtet wird.

„Eigentlich muss ich das sagen. Du bist doch der Dieb“, sage ich.

„Du Idiot“, lacht er mich aus. „Das war heute mein zehnter Einbruch. Und der 47. in diesem Monat. Ich kann mir die teuersten Staranwälte leisten, bei denen bekommt so ein armer Schlucker wie du nicht mal einen Termin.“

Meine Frau ist mit dem Einbrecher einer Meinung

Nach diesem Einbruch ist er über meine finanziellen Verhältnisse natürlich genau im Bilde.

„Osman, musst du denn unbedingt die Polizei anrufen und Anzeige erstatten? Der würde sowieso nie wieder bei uns einbrechen, selbst wenn du ihn dazu einlädst“, ist meine Frau mit dem Einbrecher einer Meinung.

„Eminanim, wir sind doch die Guten. Wenn die Guten schweigen, gewinnen die Bösen“, verteidige ich mich.

„Ich wollte eine neue Waschmaschine. Jetzt müssen wir mit dem Geld einen Rechtsanwalt bezahlen“, zischt sie vorwurfsvoll.

„Nein. Einen Rechtsanwalt brauchen wir nicht. Ich habe den Dieb auf frischer Tat erwischt. Mehr im Recht kann man nicht sein. In Amerika hätte ich den Kerl sogar erschießen dürfen.“

Wir kaufen eine Waschmaschine, er drei Anwälte

Am ersten Prozesstag kaufen wir eine neue Waschmaschine, der Dieb kauft drei Rechtsanwälte.

„Herr Engin, stimmt es, dass Sie vier Jahre beim IS in Syrien waren?“, fragt mich einer dieser drei teuren Rechtsanwälte völlig unvermittelt.

„Nein, das stimmt nicht“, antworte ich selbstbewusst. Das sollen gute Anwälte sein? Die wissen ja nicht mal, worum es heute geht, freue ich mich.

„Wie viele Jahre waren Sie denn beim IS in Syrien?“, fragt er.

„Ich sagte doch: Überhaupt nicht.“

„Warum nicht?“

„Wieso, warum nicht?“, stottere ich verwirrt.

„Osman, ich hatte dich gewarnt“, zischt Eminanim.

„Weshalb waren Sie beim IS, obwohl Ihre Frau Sie gewarnt hatte?“

„Sie hatte mich doch nicht deshalb gewarnt.“

„Nicht? Ihre Frau war also damit auch einverstanden! Eure Ehren, keine weiteren Fragen.“

„Also, ich habe diesen Mann bei mir zu Hause auf frischer Tat erwischt“, rufe ich laut, um Eminanims Schluchzen zu übertönen – sie hat inzwischen angefangen, laut zu heulen.

„Sie geben also zu, meinen Mandanten zu kennen?“, brüllt der Rechtsanwalt noch lauter.

„Klar kenne ich ihn. Er hat doch bei mir eingebrochen.“

„Nein – Sie kennen ihn aus Köln!“

„Seit wann wohne ich denn in Köln? Ich war noch nie Köln!“, brülle ich.

„Doch, in der unsäglichen Silvesternacht 2016 waren Sie schon in Köln, als seine Freundin und noch Hunderte andere deutsche Frauen von Tausenden Ausländern belästigt wurden.“

„Das ist nicht wahr!“, brülle ich noch lauter.

Foto: privat

Osman Engin

ist Satiriker in Bremen. Zu hören gibt es seine Kolumnen unter https://wortart.lnk.to/Osman_Coro-na. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).

„Leugnen ist zwecklos! Die Zeitungen und Polizeiprotokolle sind voll davon“, ruft er energisch und knallt mehrere Stapel Zeitungen auf den Tisch.

„Ich meine, dort habe ich ihn nicht gesehen“, antworte ich.

„Wie denn auch? Sie hatten ja dort nur Augen für die jungen Frauen!“

„Osman, ich hatte dich gewarnt, verdammt“, jammert meine Frau.

„Wovor hatte Ihre Frau Sie gewarnt, Herr Engin?“, fragt diesmal der Richter.

„Osman, sag bloß kein Wort mehr! Ich bin gleich wieder da. Ich tausche nur schnell unsere neue Waschmaschine gegen einen alten Rechtsanwalt ein, bevor sie dir noch den Kennedy-Mord anhängen.“

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen